Nur du weckst diese Sehnsucht
gekrönt worden, an der Seite ihres nahezu ebenso perfekten Ballkönigs, ihres späteren Ehemanns. Als Memphis ihnen anschließend gratuliert hatte, war Dalton die Freundlichkeit in Person gewesen und hatte sich bedankt. Kate hingegen hatte ihn nur kühl angelächelt und höflich genickt. Eigentlich hatte sie ihn gar nicht gesehen, sondern durch ihn hindurchgeblickt.
Memphis und Brian waren ziemlich bekannt und beliebt gewesen, gerade bei den Mädchen, doch für Kate Anderson war er Luft. Wie ihn die Vorstellung gequält hatte!
„Hey, Memphis!“, rief eine vertraute Stimme und riss ihn aus seinen trüben Gedanken. Er drehte sich um und sah Kates Bruder auf sich zukommen.
Brian Anderson war groß und schlank, mit sandfarbenem Haar, und wie seine Zwillingsschwester hatte er aristokratisch feine Gesichtszüge und leuchtend blaue Augen. Er trug eine Cargohose, darüber ein einfaches T-Shirt. Beim Gehen humpelte er leicht – die Folge jenes schicksalhaften Sprungs vor fünf Jahren.
Memphis biss die Kiefer aufeinander. Verdammt, warum war er nur zurück in seine Heimatstadt gekommen?
„Mann, wie lange bist du schon in Miami?“, fragte Brian, als er näher kam. „Drei Wochen oder so? Und da rufst du mich jetzt erst an und lädst mich zu den Dreharbeiten ein?“
Memphis fühlte sich schlecht. „Sorry, Brian. Es hat echt erst gestern Abend gepasst.“
„Kate hatte schon gesagt, du würdest mich anrufen.“
Brians Schwester lag bei vielen Sachen falsch, aber bei einer hatte sie recht: Es war höchste Zeit gewesen, dass er und Brian sich wiedersahen.
„Wie wär’s mit einem Bier heute Abend?“, schlug Brian vor und klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Schön, dich zu sehen, Kumpel.“
„Ja, stimmt“, antwortete Memphis und meinte es ehrlich.
Brian machte eine Kopfbewegung in Richtung der Gasbehälter. „Die erinnern mich daran, als wir uns das erste Mal getroffen haben. Ich war mit meiner Crossmaschine in dem alten Wäldchen unterwegs, und du hast mir voll eine faulige Orange aus deiner Kartoffelkanone verpasst.“ Er grinste Memphis breit an.
„Ich habe dir doch gesagt“, erwiderte Memphis, ebenfalls grinsend, „dass es ein Unfall war. Außerdem habe ich dich zur Entschädigung anschließend mitmachen lassen, als ich die Gasflaschen in die Luft gejagt habe. Mann, sind die hochgegangen!“
„Und mein Herz hat erst eine Woche später wieder angefangen zu schlagen …“
„Wir hatten ein Riesenglück, dass es keinen Waldbrand gegeben hat.“
„Noch mehr Glück hatten wir, dass wir nicht beide unser Gehör verloren haben.“ Brians Augen funkelten jetzt hell. „Es wäre klüger gewesen, wenn wir eine Flasche nach der anderen gezündet hätten, und nicht alle drei auf einmal.“
„Klugheit war damals wohl nie eine unserer Stärken“, entgegnete Memphis lachend.
Brian stimmte in das Lachen ein, und gemeinsam schwelgten sie in Erinnerungen an all die verrückten Stunts, an denen sie sich als Jugendliche versucht hatten. Einige waren dumm und einfallslos gewesen, doch mit der Zeit waren sie immer professioneller und ausgefeilter geworden. Allen gemein war es, dass sie aus demselben leidenschaftlichen Hang zum Risiko geboren worden waren, den Brian und Memphis wie zwei Seelenverwandte teilten.
Nachdem ihr Lachen verklungen war, trat eine unangenehme Stille ein, die Memphis nur schwer ertrug. Schließlich fragte er: „Wie läuft die Arbeit?“ Die Frage war eigentlich idiotisch, denn Memphis hatte Brians Aufstieg bei einem lokalen Fernsehsender mitverfolgt. Sein alter Freund machte sich zusehends einen Namen als Stuntkoordinator. Die Tatsache verursachte bei Memphis gemischte Gefühle: Einerseits freute er sich für Brian, andererseits quälte ihn die Frage, was Kates Bruder alles hätte erreichen können, wenn er sich nicht diese Verletzung zugezogen hätte. Die Verletzung, die ganz und gar Memphis’ Schuld war und wegen der er sich immer noch Vorwürfe machte.
„Bei der Arbeit läuft es gut“, antwortete Brian. „Übrigens gibt es da einen Stunt, über den ich mit dir sprechen wollte. Das Bier geht also auf mich. Auch, weil du Kate hilfst.“
Am liebsten hätte Memphis aufgestöhnt, stattdessen gab er nur ein vage zustimmendes „Hm“ von sich.
„Die Scheidung hat sie ziemlich mitgenommen“, fuhr Brian fort. „Ich weiß, dass ihr zwei euch früher nicht besonders grün wart, aber versuch, nett zu ihr zu sein, ja?“
Memphis warf seinem Kumpel einen ironischen Blick zu.
Weitere Kostenlose Bücher