Nur ein Blick von dir
Lächeln. »Toll – dann können wir die Bilder ja noch heute Abend sehen, oder?«
Er schaute mürrisch das Glas Wein an, das noch unberührt neben seinem Teller stand. »Jawohl, in einer halben Stunde. Das lässt uns gerade die Zeit, schnell was zu essen und hinzufahren.« Er schob das Glas zur Seite und griff nach dem Wasserkrug. »Ich schätze, das muss auch bis nachher warten.«
Mein Mund war so trocken, dass ich jeden Bissen hinunterwürgen musste. Zum Glück schien Mum das nicht so seltsam zu finden, und sobald es die Höflichkeit erlaubte, griff Josh über den Tisch und zog meinen Teller auf seine Seite. Dad lehnte sich zurück und sah die schlecht zurückgehaltene Furcht in meinem Gesicht.
»Geht das in Ordnung für dich, mein Schatz? Wir können auch zurückrufen und sagen, dass wir morgen kommen, wenn dir das lieber ist.«
Ich hatte große Mühe, mich zusammenzureißen. »Nein, Dad, es ist gut so. Ich möchte es lieber jetzt wissen und mir nicht die ganze Nacht Gedanken darüber machen müssen.« Schnell stand ich auf, um meinen Rucksack und meine Unterlagen zu holen. So musste ich nicht weiter in die besorgten Gesichter am Tisch schauen.
Die Fahrt zum Polizeirevier von Twickenham dauerte um diese Zeit am Abend nur kurz, und allzu schnell stiegen wir die vertrauten Stufen hoch. Nach einem kurzen Halt in dem schäbigen Warteraum wurden unsere Namen aufgerufen, und man führte uns in einen kleinen fensterlosen Raum mit Tisch, Stühlen und einem Fernsehapparat. Der Fernseher war alt und schmuddelig, und ein Klebeband verdeckte die Schaltknöpfe vorne. Nach wenigen Minuten öffnete sich die Tür wieder, und zwei Männer kamen herein. Der eine war der leicht zynische Kriminalbeamte, der vorhin meine Aussage aufgenommen hatte, der andere ein viel jüngerer und ziemlich aufgeregt wirkender Typ. Er war ebenfalls in Zivil, und ein kleines gelbes Licht hüpfte um seinen Kopf.
»Hi«, sagte er und schüttelte mir energisch die Hand. »Ich bin Oliver. Ich bin für all den elektronischen Kram hier verantwortlich.« Er machte eine Handbewegung, als würde das auch den vorgeschichtlichen Fernseher in seinen stolzen Herrschaftsbereich mit einschließen. Ich lächelte schwach, während ich versuchte, verstohlen die Hand an meinen Jeans abzuwischen. Er war sehr verschwitzt. »Also«, fuhr er fort, »das ist sehr aufregend. Die Software ist total neu, und wir können sie jetzt zum ersten Mal einsetzen.«
Sein Partner räusperte sich und brummelte: »Nun mach schon.« Oliver wurde leicht rot, ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Die gelbe Aura, die kurz weggeflackert war, kam heller als zuvor zurück.
»Alle Bilder von der Bankfiliale werden in Echtzeit in die Zentrale gesendet und dann für die Speicherung komprimiert. Wenn wir also einen Fall wie diesen haben, müssen wir nur an deren Rechenzentrum die genauen Daten der Filiale, Datum und Zeit übermitteln – und Bingo! Man kann alles darauf entdecken. Es ist viel deutlicher als das schwache Bildmaterial im Stil der alten Krimiserien. Mit diesem Schätzchen hier gibt es keine Irrtümer mehr!«
Er hatte die ganze Zeit beim Reden mit der Fernbedienung rumgefummelt und durch die Fernsehkanäle geschaltet. Bei einem Fußballspiel hatte er ein bisschen gezögert, und Dad und der Beamte saßen plötzlich etwas aufrechter und aufmerksamer da, aber dann war auch das weg. Schließlich stoppte er bei leerem Bildschirm. Innerhalb weniger Sekunden fing der an zu flackern, und dann war das Bild eines Mannes vor einem Bankschalter zu sehen. Es war von irgendwo über dem Kassierer aufgenommen worden, und die Kamera war direkt auf das Gesicht des Kunden gerichtet. Oliver hatte recht, das Bild war kristallklar. Ich konnte jeden Knopf an seinem Hemd erkennen, jedes einzelne seiner über die Glatze gekämmten Haare und das Muster seines Pullis. Und ich hatte absolut keine Ahnung, wer das war.
»Tut mir leid, aber den hab ich noch nie im Leben gesehen«, sagte ich zu dem Polizisten, wobei ich versuchte, nicht zu erleichtert zu klingen.
»Oh, das ist er nicht. Schau auf die Zeiteinblendung«, warf Oliver ein. »Er war ein paar Minuten vor dem, den wir wollen. Wir müssen nur noch einen Moment warten …«
Unwillkürlich hielt ich den Atem an. Wer war es, der mich so hasste und jede Einzelheit aus meinem Leben wusste?
»Fünfzehn Uhr siebenunddreißig, darauf warten wir, da ist die Transaktion abgeschlossen worden«, verkündete Oliver, ohne jemanden direkt anzusprechen.
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