Nur ein Blick von dir
meiner extra starken Schmerztabletten war.
Ich wusste nicht, wohin ich sonst noch gehen konnte. Ich war mir so sicher gewesen, dass ich sie hier irgendwo treffen würde. Hatte ich mich getäuscht? Hatte Callum mir vielleicht etwas anderes sagen wollen? Etwa eine halbe Stunde saß ich da, zerbrach mir den Kopf, versuchte herauszubekommen, wo ich sonst noch nach ihr suchen sollte, trank langsam meine Limo und hoffte, dass die Tabletten endlich anfingen zu wirken. Für einen Donnerstagnachmittag war die Kneipe überraschend voll. Wahrscheinlich hatten bei der Hitze viele Büroangestellte ihre Schreibtische verlassen, und die Terrasse war ein idealer Platz, um einen Luftzug abzubekommen. Ich beobachtete weiter die Leute, die kamen und gingen, doch keine Spur von Catherine.
Schließlich gab ich auf. Sie würde nicht mehr kommen. Ich konnte denselben Weg zurück nehmen oder über die Brücke gehen und weiter nach Twickenham. Das war eine vernünftige Möglichkeit, fand ich, weil ich dann am
White Swan
vorbeikäme, dem Pub, bei dem ich das Amulett im Schlamm gefunden hatte. Es würde außerdem bedeuten, dass ich den Leinpfad am Fluss entlanggehen konnte, was erheblich angenehmer war, als durch die heiße und staubige Stadt zu laufen. Ich trank den letzten Rest geschmolzenes Eis, stand auf und zuckte zusammen, so steif war ich wieder geworden. Automatisch ging meine Hand zum leeren Handgelenk. »Ich versuche es weiter, Callum. Ich verspreche es«, flüsterte ich so leise, dass ich es selbst kaum verstehen konnte.
Wie ich gehofft hatte, war es auf dem Leinpfad viel kühler als in der Stadt. Hier zu gehen war ein großer Umweg gegenüber der Straße, aber auch viel schöner. Mit den Feldern von Petersham auf dem anderen Ufer war diese Schleife der Themse außerdem ziemlich ruhig. Ich kam mir fast wie auf dem Land vor. Träge sah ich einer Frau zu, die mit einem Kinderwagen um die Biegung auf mich zukam. Sie blickte zum Himmel, senkte den Kopf und wurde plötzlich schneller. Der Kinderwagen holperte über den Kies. Ich wollte sehen, was ihr aufgefallen war, blickte ebenfalls hoch. Hinter mir drohte eine riesige Gewitterwolke. Im selben Moment zuckte ein gewaltiger Blitz über den Himmel, und fast sofort folgte ein ohrenbetäubender Donner. Obwohl ich den Blitz gesehen hatte, ließ mich der Donner zusammenzucken, und ich hörte das Weinen des Babys im Kinderwagen.
Die Wolke bewegte sich schnell, und die drückende Hitze und knallende Sonne wurden plötzlich noch intensiver. Nach wenigen Minuten war die Wolke auch über mir und machte die Welt dunkler und sehr viel kühler. Wieder ein Blitzschlag, dicht genug, um mich reflexartig zu den umstehenden Bäumen blicken zu lassen. Doch hier unten am Fluss war ich halbwegs sicher. Die Gebäude oben auf dem Richmond Hill sahen eher so aus, als könnten sie gefährdet sein. Endlich klatschten große, dicke Tropfen auf den Kies. Ich überlegte kurz, wo ich war und ob ich weiter- oder zurückgehen sollte. Als der Regen so richtig losging, wurde mir klar, dass es keinen Unterschied machte. Ich würde eh triefend nass werden. Dann konnte ich es auch ebenso gut genießen.
Mit großen Schritten ging ich auf dem Leinpfad weiter, jetzt völlig allein, und freute mich darüber, wie mir das Wasser übers Gesicht lief und meinen schmerzenden Arm kühlte. Eigentlich passte die Situation perfekt. Ich ließ den Regen meine Sorgen einfach für eine Weile wegwaschen.
Es prasselte immer noch runter, als ich zum Eingang des
Marble Hill Park
kam. Hier führten alte Steinstufen bis ans Wasser hinunter, wahrscheinlich die Überreste einer längst verschwundenen Anlegestelle. Als ich klein war, hatte ich hier immer die Enten gefüttert. Ich lächelte bei diesen Erinnerungen, erstarrte aber plötzlich, als ich eine eiskalte bekannte Stimme hörte.
»Du suchst mich, stimmt’s?«
Ich schnellte herum. Hinter mir stand Catherine mitten auf dem Leinpfad. Regen hatte ihre Haare mattbraun werden lassen, und Wasser tropfte von den Haarspitzen. Sie war mit einem einfachen Shirt und Jeans für kühleres Wetter angezogen, beides war völlig durchnässt und klebte an ihr. In der einen Hand hielt sie einen großen Stein.
Jeglicher Mut verließ mich. Ich wusste, dass ich nicht gut genug drauf war, um mit ihr zu kämpfen, ich war einfach nicht fit. Alle meine Verletzungen schrien protestierend auf, als ich mich automatisch anspannte, um bereit für das zu sein, was nun kommen mochte. Ich schob mir das nasse Haar aus
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