Nur ein Blick von dir
zu schätzen.«
»Äh, vielleicht, ja …« Er sprang plötzlich auf. »Aber ich kann was zu essen machen. Ich wette, du hast noch nichts gegessen, oder? Du musst was essen.«
»Mum hätte ihre Freude an dir.« Ich schaffte ein halbes Lächeln. »Ich hab mir vorhin ein Brot gemacht«, log ich. Ihm würde nie auffallen, dass im Kühlschrank nichts fehlte.
Er setzte sich wieder und wirkte jetzt ziemlich ernst. »Die Sache ist die, dass ich morgen eigentlich zu dem Festival wollte, und Mum und Dad kommen erst am Sonntag zurück. Hättest du lieber, dass ich zu Hause bleibe? Das mache ich gerne, wenn du mich hier brauchst. Wir haben immer noch keine Ahnung, wo diese unheimliche Frau hin ist, und ich würde mir große Sorgen machen, wenn du hier ganz alleine wärst.«
»Jetzt werd nicht albern. Mir wird es gutgehen. Grace kommt bestimmt sofort her, wenn ich sie darum bitte, und Jack auch. Ich bin hier ziemlich sicher.«
»Ich werde einfach das Gefühl nicht los, besonders seit dem Raubüberfall, dass du in Gefahr bist.«
»Sie wollte meinen Armreif, und den hat sie ja nun. Warum sollte sie zurückkommen?«
»Bist du dir ganz sicher, dass da sonst nichts im Busch ist?« Er nahm meine Hände und wartete, bis ich ihn ansah.
»Aber ja. Sie hat, was sie wollte. Jetzt ist sie weg.« Ich gab mir unheimlich Mühe, konnte aber die einzelne Träne nicht unterdrücken, die über meine Wimpern quoll und schwer auf meinen Arm tropfte. Josh nahm mich für einen Moment ganz fest in den Arm.
»Also dann schlafen wir drüber. Morgen früh wecke ich dich erst mal, und dann entscheiden wir, ob ich fahre oder nicht.«
»Untersteh dich!« Ich schniefte laut. »Ich will nicht so früh geweckt werden. Mit viel Ruhe und ein bisschen Glück schlafe ich morgen den ganzen Tag.« Ich lächelte ihn schmelzend an.
Als Josh am nächsten Morgen kam, um zu sehen, wie es mir ging, wollte ich mich schon schlafend stellen. Aber dann hätte er sich nur wieder Sorgen gemacht. Nachdem ich ihm noch einmal versichert hatte, dass ich wirklich in der Lage wäre, mich um mich selbst zu kümmern, brach er auf, beladen mit seinem Rucksack und der Campingausrüstung. Ich hätte allerdings wetten können, dass er sowieso im Auto schlief. Als ich dann die Räder über den Kies der Auffahrt knirschen hörte, rollte ich mich vorsichtig auf den Rücken und betrachtete die Decke. Ich hatte schon wieder eine schlechte Nacht hinter mir. Es war mir nicht gelungen, meine bohrende Müdigkeit in richtigen Schlaf umzuwandeln. Der Gedanke, einfach im Bett liegen zu bleiben und zu hoffen, dass ich irgendwann wegdämmern würde, war zwar verführerisch, kam mir allerdings wenig wahrscheinlich vor. Ich versuchte, an etwas zu denken, an irgendwas anderes als daran, wie sehr Callum mir fehlte, doch das Zimmer steckte zu voll mit Erinnerungen. Besiegt taumelte ich aus dem Bett und unter die Dusche.
Zum Kummer in meinem Herzen gesellte sich nun noch ein anderes Gefühl von Leere, als ich nach unten ging und merkte, wie hungrig ich war. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal etwas gegessen hatte, und ich wollte es nicht übertreiben. Ich warf eine Scheibe Brot in den Toaster und wurde von einem Moment zum anderen von einer starken Sehnsucht nach meinen Eltern erfasst. Normalerweise hätte an einem Samstagmorgen ein frisch gebackenes Brot seinen wunderbaren Duft durch das Haus ziehen lassen. Da konnte ein armseliger Toast nicht mithalten.
Josh hatte mir etwas hinterlassen: ein klobiges altes Handy und einen kurzen Brief.
Hi, ich hab gestern Abend noch versucht, dein Telefon wieder hinzukriegen, aber es ist total kaputt. Selbst die SIM -Karte scheint hinüber zu sein. Hoffentlich hast du eine Kopie von deinen Kontakten! Jedenfalls funktioniert dieses alte Handy und ist jetzt aufgeladen. Es ist ein bisschen einfach und total uncool, aber besser als nichts. Du musst deinen Leuten die Nummer geben. Meine Nummer hab ich schon gespeichert, falls du mich brauchst. Versuch mal, nicht noch mehr Ärger zu kriegen. J
Für einen großen Bruder war er wirklich schwer in Ordnung, dachte ich und zwinkerte die Tränen zurück, als ich das Blatt auf den Tisch legte, doch sie verflüchtigten sich sowieso schnell, als ich nach dem alten Ding griff. Es war schon fast eine Antiquität und sah aus, als könnte es auch überstehen, von einem Bus überrollt zu werden.
Ich zuckte zusammen, als der Toast hochsprang. Er schmeckte wie Pappe, doch ich knabberte weiter daran und
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