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Nur ein Blick von dir

Nur ein Blick von dir

Titel: Nur ein Blick von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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hoffte, dass er wenigstens eines meiner Leiden beseitigen würde. Während ich dasaß und aß, blickte ich in den Garten und versuchte, an nichts zu denken. Doch die Erinnerungen bestürmten mich von allen Seiten. Immer wieder musste ich an das allererste Mal denken, als ich ihn sah. Da stand ich unter der Kuppel von
St. Paul’s
. Er wirkte so erstaunt, dass ich ihn sehen konnte, und bei der Erinnerung daran spürte ich, wie meine Mundwinkel ein bisschen zuckten. Sie waren schon eigenartig, diese physikalischen Gesetze, die die Versunkenen zu binden schienen, und oben auf der Kuppel waren sie am stärksten, wo alles möglich zu sein schien.
    Die Kuppel. Mein nach Schlaf hungerndes Gehirn kämpfte einen Moment. Das war doch sicher wichtig?
    Seltsame Dinge passierten oben auf der Kuppel. Als ich das Amulett noch hatte, konnte ich Callum berühren und sehen, wenn wir auf der Goldenen Galerie waren. Das ging, weil mir Callum ein paar zusätzliche Talente vermittelt hatte, als er mir meine Erinnerungen zurückgab. Und wenn diese Talente noch in mir steckten? Wenn Callum darauf wartete, dass ich dahinterkam und ihn oben auf der Kuppel traf?
    Mir wurde bewusst, dass ich mit offenem Mund dasaß und den Toast bereithielt für einen weiteren Biss. Ich ließ ihn fallen, stand auf und wollte losgehen, doch dann setzte ich mich abrupt wieder hin, als die Küche anfing, sich zu drehen. Ich beugte den Kopf auf die Knie, zählte bis zehn und trat mich selbst im Geist in den Hintern. Ich musste etwas essen, um meinen Blutzuckerspiegel wieder zu normalisieren – und zu halten –, sonst würde ich die fünfhundert oder wie viel auch immer Stufen bis ganz nach oben auf
St. Paul’s
niemals schaffen. Aber die Müdigkeit war weg, fortgeblasen wie Nebel vom Wind, und der Kummer war ein wenig zurückgewichen. Ich hatte einen Plan.

13. Allein
    Auf dem Weg nach London konnte ich meine Aufregung kaum unter Kontrolle halten. Die Fahrt schien ewig zu dauern, und der Zug war voller Shopper und Touristen. An der
Waterloo Station
überlegte ich kurz: Ich erinnerte mich, dass die direkte Linie zur Bank am Wochenende nicht immer in Betrieb, der Bus aber auch in Ordnung war.
    Auf dem Weg zur Bushaltestelle bahnte ich mir in der Bahnhofshalle einen Weg durch Menschenmassen, die in dichten Trauben herumstanden und die Tafeln mit den Abfahrtszeiten studierten. Als ich auf die Treppe zusteuerte, kam ich an einem Donutstand vorbei, wo ein Mädchen in gestreifter Schürze kleine Kostproben verteilte. Ohne nachzudenken, nahm ich ein Stück und wurde sofort von meinem Magen daran erinnert, wie hungrig ich tatsächlich war. Ich musste zurück und mir einen ganzen Donut kaufen, was ich vor mir selbst als Stärkung für den bevorstehenden langen Aufstieg rechtfertigte.
    Beim Warten auf den Bus merkte ich plötzlich, dass ich eine von Callums Lieblingsmelodien vor mich hin summte, und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich fast glücklich war. Es schien jetzt schon so viel Zeit vergangen zu sein, seit ich das Amulett verloren hatte, doch irgendwie wusste ich, dass alles in Ordnung käme. Ich würde mit Callum sprechen, und er und Matthew hätten sicher schon irgendwas herausbekommen, das ich tun musste. Sie hatten jetzt schon mehrere Tage Zeit gehabt, um sich Pläne und Möglichkeiten auszudenken, und ich war zuversichtlich, dass sie auch tatsächlich welche hätten. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, wie die aussehen mochten, doch ich beschloss, mir darüber jetzt keinen Kopf zu machen. Im Moment wollte ich einfach unterwegs sein, um ihn wiederzutreffen.
    Ich hatte gehofft, einen Platz auf dem oberen Deck im Bus zu erwischen, damit ich
St Paul’s
sehen konnte, wenn wir näher kamen. Doch als der Bus eintraf, war er schon gerammelt voll, und ich fand nur noch auf dem unteren Deck einen Stehplatz zwischen einer japanischen Touristenfamilie und einer Gruppe Teenager in Kapuzenpullis. Einer von ihnen blickte mir kurz ins Gesicht und stieß dann seinen Kumpel an. Die beiden grinsten, als sie schließlich wegsahen. Mit fiel ein, dass ich mir nicht mehr die Mühe gemacht hatte, die Blutergüsse auf meiner Wange abzudecken, bevor ich das Haus verlassen hatte. Ich versuchte, mein Spiegelbild in einer der Chromflächen im Bus zu erwischen, konnte aber nicht wirklich erkennen, wie schlimm es war.
    Meine Hand schloss sich um den kleinen Reisespiegel, der immer noch in meiner Tasche gesteckt hatte, aber ich wollte ihn nicht herausziehen, wenn so viele Leute um mich

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