Nur ein Blick von dir
nach unten an mir vorbeigingen. Eine Stimme war durchdringender als die anderen.
»Mummy, warum sitzt die Dame da so? Ist sie krank?«
»Ruhig, Julia, nicht so laut.«
»Aber warum sitzt sie da? Das ist doch nicht erlaubt, und warum spricht der Mann in dieses komische Handy?«
»Das ist ein Walkie-Talkie, mein Schatz. Und ich vermute, ihr ist nur ein bisschen schlecht geworden, aber das geht uns wirklich nichts an. Komm weiter. Schau mal, hier kannst du bis auf den Boden der inneren Kuppel gucken.« Die Stimmen wurden schwächer, während das Geklapper der Schritte auf der Eisentreppe weiterging.
Der erste Mann rüttelte mich wieder am Arm. »Kommen Sie, meine Liebe, können Sie aufstehen? Haben Sie Höhenangst? Ich weiß, hier drin kann es ein bisschen erschreckend sein. Der Weg nach unten ist schlimmer als der Aufstieg. Ist das Ihr Problem?«
Es kam mir einfacher vor, ihn das glauben zu lassen, und so nickte ich kurz. Seine Erleichterung war deutlich zu hören. Mit solchen Fällen hatte er offenbar schon öfters zu tun gehabt.
»Also gut, stellen wir Sie mal wieder auf die Beine. Reggie«, rief er dem älteren Mann zu. »Wir bringen sie jetzt nach unten. Ich geh vor ihr, und du bleibst direkt hinter ihr.«
Ich ließ mir aufhelfen, und dann bugsierten mich die beiden nach unten. Ich versuchte, möglichst an nichts zu denken, nur an die nächste Stufe und an das nächste Geländer, an dem ich mich festhalten konnte. Als wir die Steingalerie erreichten, versuchte ich, ihnen zu sagen, dass es mir wieder gutginge, doch sie schienen entschlossen, mich ganz nach unten zu begleiten. Vielleicht dachten sie, ich würde mich sonst irgendwo runterstürzen. Zum ersten Mal verstand ich, wie verlockend es sein konnte, zwar keine Zukunft mehr zu haben, aber auch keinen Schmerz. Doch ich ging weiter.
Als wir schließlich ganz unten auf dem gewaltigen wie ein Schachbrett gemusterten Boden ankamen, wollten sie mich immer noch nicht gehen lassen. Der eine führte mich zu einer Stuhlreihe und bestand darauf, dass ich mich setzte, während der andere, der mit dem Walkie-Talkie, in der Menge verschwand. Mein Begleiter versuchte ein paarmal, sich mit mir zu unterhalten, doch ich konnte mich einfach nicht zu einem Gespräch überwinden. Eine Weile saßen wir schweigend da, und ich gab mir jede Mühe, nicht daran zu denken, was um mich herum vorgehen mochte, welche Versunkenen mich vielleicht beobachteten und uns zuhörten. Es bestand keinerlei Gefahr, dass irgendeiner von ihnen heute irgendetwas von mir stehlen würde.
Schließlich kam der andere Mann wieder zurück, gefolgt von einer älteren Frau in einem Priestergewand. Der Typ, der neben mir saß, stand erleichtert auf. »Jetzt sind Sie in guten Händen, junge Frau. Reverend Waters wird sich um Sie kümmern.«
»Mir geht es aber wirklich gut«, protestiere ich und wollte mich nicht in eine Unterhaltung verwickeln lassen, doch Reverend Waters legte mir eine überraschend feste Hand auf die Schulter, als ich versuchte, auf die Beine zu kommen. Sie kam mir vage bekannt vor, und plötzlich wurde mir klar, dass sie die Frau war, die mich bei meinem letzten Besuch in der Kathedrale auf der Flüstergalerie beobachtet hatte, als ich Olivia das erste Mal traf.
»Hast du ein paar Minuten für mich Zeit?«, fragte sie behutsam und setzte sich neben mich.
Ich zuckte mit den Schultern und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.
»Danke. Ich bin Reverend Waters, aber das weißt du ja schon. Und du bist …?«
»Alex«, nuschelte ich, nicht gerade wild darauf, ihr mehr mitzuteilen.
»Schön, dich kennenzulernen, Alex. Also meine Kollegen waren sehr besorgt wegen dir und dachten, eine kleine Unterhaltung könnte dir vielleicht guttun.«
»Das ist sehr nett von ihnen, aber da gibt es nichts, über das ich reden möchte.«
Sie ließ sich nicht so leicht abwimmeln. »Es ist nur so … also sie haben wohl gedacht, dass es nicht die Höhenangst war, die dich so durcheinandergebracht hat.«
Ich zuckte wieder mit den Schultern und hoffte, dass sie den Hinweis verstehen würde.
»Sie haben gedacht, dass du dir vielleicht etwas antun wolltest, eventuell springen.« Sie wartete kurz ab. »Gibt es da irgendetwas, das dir zu schaffen macht?«
Ich schaute ihr ins Gesicht, das sehr viel mehr Besorgnis zeigte, als man von einer Fremden erwarten konnte, und einen ganz kurzen Augenblick lang dachte ich daran, ihr einfach alles zu erzählen, einfach um mich zu entlasten. Ich hatte schon Luft geholt,
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