Nur ein Blick von dir
auch viel schöner, oder?«, fragte Marina lachend.
»Ja. Das ist wohl wahr. Ich weiß gar nicht, warum ich nicht immer nackt schlafe. Ach, wahrscheinlich weil ich immer friere«, erwiderte Silke.
»Es war schön mit dir.« Marinas Stimme klang unendlich zärtlich.
Silke fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. »Dafür, dass wir uns kaum kennen, war es wirklich sehr schön.« Sie grinste breit – was Marina Gott sei Dank nicht sehen konnte. »Ganz schön verdorben, nicht wahr?«
»Wieso verdorben? Es war doch schön. Du wolltest es, und ich wollte es auch«, sagte Marina.
»Das stimmt schon, aber es ist trotzdem verdorben.« Silke legte sich auf die Seite und blies in den Hörer. »Hörst du den Sturm?«, fragte sie spitzbübisch.
»Ich dachte, der Sturm wäre vorüber.« Marinas Stimme ließ eine leichte Erregung spüren.
»Ja, das ist er auch. Es ist schon spät. Wann musst du morgen Früh raus?«, wechselte Silke schnell das Thema.
»Feigling!«, lachte Marina. »Aber du hast recht. Es ist Zeit zum Schlafen. Ich wünsche dir schöne Träume.«
»Danke. Dir auch. Ich denke, ich werde tief und fest schlafen können«, sagte Silke anzüglich.
»Das wünsche ich dir. Gute Nacht«, raunte Marina in den Hörer.
»Gute Nacht.« Silke legte verträumt den Hörer auf und drehte sich wohlig auf die andere Seite. Innerhalb kürzester Zeit war sie selig lächelnd eingeschlafen.
Am nächsten Morgen erwachte sie, als wäre dieses Lächeln auf ihrem Gesicht festgemeißelt. Sie hatte wundervoll geschlafen, und als sie sich streckte, stellte sie fest, dass sie immer noch nackt war. Natürlich, was auch sonst? Dieses Dauerlächeln wich einfach nicht mehr aus ihrem Gesicht. Also hatte der Abend doch noch so geendet, wie es zu erwarten gewesen war.
Na ja, nicht ganz. Sie hatten nicht miteinander geschlafen, nur übers Telefon. Aber es war fast so schön gewesen wie echt. In gewisser Weise war es ja auch echt. Der Orgasmus war echt gewesen, und sie hatte sich eingebildet, es wären Marinas Hände, die ihn ausgelöst hatten. Wenn sie daran dachte, spürte sie das heiße Ziehen im Unterleib erneut. Richtige Schmetterlinge im Bauch.
Schmetterlinge? Nein, keine Schmetterlinge. Höchstens eine Raupe. Schmetterlinge waren für Verliebte reserviert, und verliebt waren sie ja nicht. Weder sie noch Marina.
Sie ging unter die Dusche und danach wieder ins Schlafzimmer. Nachdem sie das Bett gemacht hatte, zog sie das Rollo hoch. Ihr Handy auf dem Nachttisch blinkte. Sie konnte es nicht verhindern, sie strahlte übers ganze Gesicht, als sie Marinas SMS sah. Es war keine Guten-Morgen-SMS, sondern noch von der Nacht.
Ich kann nicht schlafen. Es war so schön mit dir, dass ich fast vergessen habe, dass du nicht da bist. Und jetzt wünschte ich noch mehr, du wärst hier. Du bist das süßeste Dessert, das ich je genossen habe. ? Ich hoffe, dass wir es das nächste Mal zusammen genießen können und dass dann der Morgen nie kommt. M.
Silke las die SMS mehrmals. Marina hatte eine romantische Ader, von der Silke bei Gaby nur hatte träumen können. Und das, obwohl Marina zuerst gar nicht so gewirkt hatte, als wäre ihr überhaupt etwas an Gefühlen gelegen. Was für eine Frau.
Sie drückte auf ANTWORTEN, aber es kam nicht viel mehr als ein »Es war wunderschön. Danke« dabei heraus. Wenn sie an gestern Abend dachte, war sie einfach immer noch zu überwältigt. Wie auf Wolken schwebend verließ sie gegen halb sieben die Wohnung.
8.
S ilke hatte schon lange nicht mehr gewusst, wie es war, von etwas zu träumen und es auch zu bekommen. Träume hatte sie viele, aber nur die wenigsten davon gingen in Erfüllung. Sie hatte versucht sich damit abzufinden, dass es die Traumfrau eben nicht gab, dass man sich mit dem zufriedengeben musste, was man bekam, aber sehr viel Erfolg hatte sie mit dieser Einstellung bisher nicht gehabt. Sie ließ sich nicht leicht auf etwas ein, und jedesmal, wenn sie es getan hatte, hatte sich ihr Misstrauen bestätigt. Es gab keine Treue, es gab keine Liebe, es gab keine gemeinsame Zukunft. Das war nur was für schmalzige Filme.
Vielleicht hatte sie einfach immer zu viel erwartet. Die große Liebe gab es eben nicht, nur ein bisschen Sex hier und da, mehr oder weniger gut.
Sie seufzte. Eher weniger. Sie griff nach der Seife und roch daran. Als sie heute nach Feierabend durch die Stadt gelaufen war, hatte sie plötzlich das Bedürfnis gehabt, sich mit einem ausgiebigen Bad zu verwöhnen, mit Düften,
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