Nur ein Blick von dir
Schicksal gehadert.
Sie hatte vorsichtig sein wollen, sich auf nichts einlassen wollen, hatte gemeint, das würde sie vor enttäuschenden Erfahrungen schützen. Aber genau das Gegenteil war eingetreten.
Nur eine kleine Bitte, es langsamer angehen zu lassen, und schon verschwand die Superliebhaberin auf Nimmerwiedersehen.
Ich weiß nicht, ob sie eine Superliebhaberin ist, dachte Silke spöttisch. Das hat sie nur behauptet. Wie so vieles andere.
Oh ja. Marina, die Große. Man hätte meinen können, dass es neben ihr niemand anderen gab. Sie durchpflügte das Leben wie eine hochnäsige Königin, und das Fußvolk konnte sehen, wo es blieb.
Genau, das bin ich für sie: Fußvolk, dachte Silke erbost. Nur dazu da, Majestät zu Diensten zu sein, wenn sie danach verlangt. Und wenn man nein sagt . . .
Dabei hatte sie ja gar nicht nein gesagt. Marinas Berührungen hatten sie sehr erregt, und wahrscheinlich hätte sie mit ihr geschlafen, wenn Marina nicht gegangen wäre. Silkes Körper hatte eindeutige Signale gegeben, denen sie kaum widerstehen konnte. Viel länger hätte sie es jedenfalls nicht mehr ausgehalten.
Aber sie war nun mal nicht der Typ, der mit jeder Frau sofort ins Bett sprang, sie brauchte ein bisschen Zeit. Zumindest, um sich auf die Situation einzustellen. Sie war sehr streng erzogen worden, und immer noch hörte sie die Stimme ihrer Mutter im Hinterkopf, dass man so etwas nicht tat. Wobei nie ganz klar gewesen war, was mit so etwas eigentlich gemeint war. Silke hatte es sich erschlossen, als sie älter wurde, denn aufgeklärt worden war sie nie.
In gewisser Weise musste sie ihrer Mutter allerdings zustimmen, dass der ganze Aufriss, der um so etwas gemacht wurde, es nicht wert war. Die meisten Frauen, mit denen Silke geschlafen hatte, hatten mehr ihre eigene Befriedigung im Auge gehabt als Silkes. Deshalb war der Telefonsex mit Marina so schön gewesen. Sie hatten beide das bekommen, was sie wollten. Zumindest Silke. Sie hatte sehr deutlich gemerkt, dass Marina gern noch weitergemacht hätte. Aber so verdorben, wie Silke sich vorgekommen war, war das einfach nicht gegangen.
Vielleicht war das schon der erste Fehler gewesen. Marina hatte seit dem Telefonat wahrscheinlich an nichts anderes gedacht, als sich den Rest zu holen, der am Telefon zu kurz gekommen war. Aufgereizt von einem Tag voller geiler Gedanken war sie zu Silke gekommen – und Silke hatte gesagt, sie wollte noch warten.
Das war zu viel für Marina. Sie konnte nicht warten. Sie war der Typ: Ich will alles, und zwar sofort!
Kann ich doch nichts für, dachte Silke. Ich bin nun mal eher der Typ: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
In der Mittagspause musste sie Yvonne Rede und Antwort stehen. Yvonne ließ nicht eher locker, bis sie alles gehört hatte.
»Puh«, sagte sie dann. »Sie ist einfach so gegangen und wirft dir noch hin: Dann such ich mir eben ’ne andere, wenn du nicht willst?«
»Genau so«, bestätigte Silke. »Sex oder ich gehe – das war die Auswahl.«
»Kein schöner Zug«, stellte Yvonne fest. »Gar kein schöner Zug. Sei froh, dass du sie los bist.«
»Bin ich auch.« Silke versank in grübelndes Schweigen.
»Und worüber denkst du jetzt nach?«, fragte Yvonne misstrauisch.
Als ob sie sie angeschrien hätte, schreckte Silke hoch. »Über gar nichts«, sagte sie schnell.
»Hättest du gern noch mal Telefonsex?« Yvonne grinste.
»Wenn du mich so fragst: ja«, erwiderte Silke mit einem frechen Blinzeln. »Wer dumm fragt, kriegt dumme Antworten.«
»Wenn’s stimmt, was du sagst, war es gar keine so dumme Frage.« Yvonne betrachtete Silke nachdenklich. »Ihr seid wie Feuer und Wasser, und trotzdem sehnst du dich nach ihr.«
»Tue ich nicht!«
»Tust du doch.« Yvonne lächelte verständnisvoll. »Ich kenne deinen Gesichtsausdruck, wenn du nach einer Frau schmachtest.«
»Ich schmachte doch nicht!« Silke runzelte abwehrend die Stirn. »Das Kapitel Marina ist erledigt.«
»Das denkst du, weil du im Moment sehr verletzt bist. Aber deine masochistische Ader sucht bestimmt schon nach einer Möglichkeit, sie wiederzusehen.«
»Meine masochistische Ader?« Silke blitzte Yvonne an. »So was habe ich noch nie gehabt.«
»Oh doch«, beharrte Yvonne. »Und wie. Das ist dein eindeutiger Schwachpunkt. Sonst wärst du doch auch nie mit Gaby zusammengekommen. Ich kann mich noch gut an das blaue Auge erinnern, bei dem du behauptet hast, du wärst gegen eine Tür gelaufen.«
Silke zog den Kopf zwischen die
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