Nur ein einziger Kuss, Mylord?
aufgeklärt. Es war sehr aufmerksam von ihm, Miss Daventry diese Position anzubieten. Und mir ist es eine Freude.“
Lissy strahlte. „Großartig, Mama.“ Sie wandte sich an Christiana. „Sehen Sie, Miss Daventry, ich sagte es Ihnen ja – Julian kriegt Mama immer herum. Und ich bin sicher, Ihr Bruder kommt, so bald er kann.“
Daran hegte Christiana nicht den geringsten Zweifel.
„Selbstverständlich müssen Sie sich einen halben Tag frei nehmen, Madam, um ihn mit Ihrem Bruder zu verbringen“, mischte Lord Braybrook sich ein, „denn wahrscheinlich haben Sie ihn längere Zeit nicht gesehen.“
Christiana sah ihn an. „Nein“, erwiderte sie ausdruckslos. Nicht seit Mamas Beerdigung .
Es hatte gegossen wie aus Eimern. Und sie hatten da gestanden, nass bis auf die Knochen, gespannt darauf, ob er wohl kommen würde. Ob der Duke of Alcaston den Anstand besäße … nun, jedenfalls hatte sie sich diese Frage gestellt. Harry war sicher gewesen, dass mit seinem Auftauchen nicht zu rechnen sei. Dass es auch nichts ausmachte.
Sei nicht so empfindlich, Christy. Ich nehme an, er hat Wichtigeres zu tun .
Sie würde es Alcaston nie verzeihen. Niemals. Dass er nicht zur Beerdigung gekommen war. Nicht einmal einen Kranz geschickt hatte. Aus Gründen der Diskretion, die ihm über alles ging, aber Christiana hatte gehofft, dass er ihre Mutter wenigstens auf ihrem letzten Weg begleiten würde. Ein Schauer durchlief sie. Wenn irgendetwas sie von der Notwendigkeit überzeugt hatte, auf eigenen Beinen zu stehen, dann sein Fernbleiben.
„Miss Daventry?“
Erschrocken stellte sie fest, dass Lord Braybrook sie angesprochen hatte. Er sah sie mit seinen wachen Augen an. Seine Stirn war leicht gerunzelt.
Tränen brannten ihr hinter den Lidern, doch es gelang ihr, ruhig zu sprechen. „Verzeihen Sie, Mylord. Ich war mit meinen Gedanken woanders.“
„Miss Daventry muss sehr müde sein, Julian“, meldete Lady Braybrook sich zu Wort. „Entschuldigen Sie, meine Liebe. Sie können sich zurückziehen, sobald das Abendessen beendet ist. Heute Abend müssen wir nichts mehr besprechen. Nehmen Sie sich einen Teller von der Hühnersuppe. Und Lissy – reich Miss Daventry doch bitte die Brötchen.“
In was für einem Haushalt bin hier bloß gelandet? fragte Christiana sich befremdet, während sie aß. Einen größeren Gegensatz zu ihrer vorherigen Anstellung konnte es kaum geben. Anstatt sie wie eine Gouvernante und Gesellschafterin zu behandeln, begegnete man ihr wie einem gern gesehenen Gast, und wenn sie nicht aufpasste, würde sie ihre Stellung vergessen. Nie zuvor war das ein Problem für sie gewesen. Aber sie hatte auch noch nie das Gefühl gehabt, dazuzugehören. Sie musste sich in Acht nehmen. Denn gleichgültig, wie freundlich sie sich ihr gegenüber verhielt – Lady Braybrook war ihre Dienstherrin.
Und Lord Braybrook ihr Dienstherr?
Sie biss die Zähne zusammen. Sie war die Gouvernante. Die Gesellschafterin. Keine Gleichgestellte. Wenn sie es nicht schaffte, sich das unablässig vor Augen zu halten, wie sollte sie dann Harry überzeugen?
Den nächsten Morgen verbrachte Christiana mit Auspacken. Genauer gesagt, verbrachte sie zwanzig Minuten mit Auspacken und den Rest der Zeit damit, darüber nachzudenken, wie sie sich am besten in die Abläufe des Haushalts einfügen konnte.
Lady Braybrook verließ ihr Schlafzimmer in der Regel nicht bis zum späten Vormittag, wenn einer der Lakaien sie nach unten trug. Dies ließ Grigson sie wissen – eine ernste Dienstbotin, deren adrettes Erscheinungsbild sie als Lady Braybrooks Zofe auswies –, als sie Christiana davon informierte, dass Ihre Ladyschaft sie im Salon erwarte.
Lady Braybrook saß am sonnigen Fenster, die getigerte Katze thronte auf ihrem Schoß. „Danke, Grigson, das wäre dann alles. Guten Morgen, Miss Daventry. Haben Sie gut geschlafen? Jedenfalls sehen Sie heute viel besser aus. Braybrook erwähnte, dass es Ihnen in der Kutsche nicht gut ging.“
Christiana knickste. „Danke, Madam. Ich habe sehr gut geschlafen. Seine Lordschaft hätte kein Aufhebens um meine Unpässlichkeit machen müssen.“
„Hm. Nun, ich bin froh, dass Sie wieder in Ordnung sind. Seien Sie so nett und setzen sich zu mir, dann können wir Ihre Aufgaben besprechen. Eigentlich geht es nur um Emma und Davy. Matthew hat Schulferien, um ihn brauchen Sie sich also nicht zu kümmern. Lissy sollte ihre Konversation in Französisch und Italienisch verbessern und Pianoforte üben. Außerdem ein
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