Nur ein einziger Kuss, Mylord?
vorzubereiten.“
Davy wirkte nicht sonderlich beeindruckt. „Mama war böse mit mir wegen meiner Hosen“, informierte er sie. „Und zum Abendessen bekam ich nur Brot mit Butter. Keinen Nachtisch.“
Lord Braybrook ließ ein merkwürdig ersticktes Geräusch hören und beugte sich vor, um seinem kleinen Bruder einen freundlichen Klaps auf die Kehrseite zu geben. „Mach Miss Daventry nicht für deine Missetaten verantwortlich, du Schlingel. Und jetzt ab mit dir. Du solltest längst im Bett sein.“
Er hielt ihren Ellbogen, als sie die Stufen erklommen und in die einladend erhellte Halle traten. Der Butler kam ihnen entgegen und verbeugte sich.
„Willkommen zu Hause, Mylord.“
„Guten Abend, Hallam.“ Der Blick des Bediensteten schweifte zu Christiana, doch seine Miene verriet nicht die mindeste Überraschung oder Neugier.
Christiana sah sich um. Die Halle war riesig. Sie wirkte sehr alt mit der hohen Gewölbedecke und dem bräunlich roséfarbenen Mauerwerk. Die steinerne Doppeltreppe führte zu einer Galerie.
„Willkommen in Amberley, Miss Daventry.“
Ihre Antwort ging in einem verblüfften Aufschrei aus dem hinteren Teil der Halle unter.
„Du meine Güte, Julian! Wen hast du da mitgebracht?“
Christianas Blick flog zu den zwei Personen, von denen die eine gesprochen hatte. Die Jüngere – eine hochgewachsene, schmale junge Dame mit dunklem, lockigem Haar und Augen wie der Viscount – musste Miss Trentham sein. Die andere saß in einem Rollstuhl und hatte eine getigerte Katze auf ihrem Schoß.
Bei ihr musste es sich um Lady Braybrook handeln. Ihre neue Arbeitgeberin. Die sie neugierig, und, wie Christiana fand, missbilligend musterte.
„Julian, was hat das zu bedeuten?“
Lord Braybrook trat zu ihr, beugte sich zu ihr nieder und küsste sie auf die Wange. „Ich nehme an, du findest, dass ich zu übereilt gehandelt habe und mich vorher mit dir hätte absprechen soll …“
„Zweifelsohne!“, fiel Lady Braybrook ihm ins Wort.
Ihr Stiefsohn lächelte. „Dies ist Miss Daventry, Serena – deine neue Gesellschafterin.“
Wenn Ihre Ladyschaft bis dahin überrascht gewesen war, wirkte sie nun nichts weniger als bestürzt. „Ich hatte dir doch gesagt, dass ich keine Gesellschafterin will!“, versetzte sie ungehalten. „Und wenn ich eine wollte, würde ich sie mir gern selbst aussuchen!“
Christiana blinzelte. Hatte sie es nicht gewusst? Lord Braybrook war selbstherrlich, um nicht zu sagen überheblich. Sie presste die Lippen zusammen. Ja, sie hatte es gewusst! Aber das hier war der Gipfel. Er hatte seine Stiefmutter in dieser Angelegenheit völlig übergangen!
Flammende Empörung und Scham überrollten die leise warnende Stimme in ihr, die ihr riet, sich auf die Zunge zu beißen. Sie reckte das Kinn.
„Ich danke Ihnen, Mylord, für diese höchst interessante Reiseerfahrung, auch wenn es völlig vergeudete Zeit war. Vielleicht hätten Sie das nächste Mal die Güte, die Meinung al ler Beteiligten einzuholen, bevor Sie irgendjemanden in Ihre Planungen verwickeln. Und nun darf ich hoffentlich davon ausgehen, dass Sie mir für heute Nacht ein Zimmer anbieten. Oder erwarten Sie, dass ich mich umgehend zu Fuß auf den Rückweg mache?“
4. KAPITEL
Lady Braybrooks Augenbrauen hoben sich, bis sie beinahe unter ihrer eleganten Haube verschwanden, aber Christiana war es egal. Sollten diese Leute doch von ihr denken, was sie wollten! Nach zwei Tagen in der Kutsche fühlte sie sich wie gerädert, und nun musste sie wieder zurückreisen! Wahrscheinlich blieb ihr nicht einmal genug Zeit, um Harry zu treffen, ganz zu schweigen davon, dass sie ihre mageren Ersparnisse würde angreifen müssen, um ein Herbergszimmer zu bezahlen, bis sie eine neue Unterkunft gefunden hatte.
„Fabelhaft, meine Liebe!“, hörte sie Lady Braybrook in ihre Gedanken hinein sagen und glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. „Julian, um Himmels willen, steh nicht da und gaffe“, fuhr Ihre Ladyschaft fort. „Sorg dafür, dass Miss … sagtest du Daventry?“ – ein kurzer Blick in Miss Trenthams Richtung – „Ja. Miss Daventrys Gepäck nach oben gebracht wird. In das Gästezimmer neben meinen Räumen.“
Sie streckte ihre Hand aus. „Sie müssen halb verhungert sein, Miss Daventry, halten Sie sich also nicht mit Umkleiden auf.“ Wie betäubt ergriff Christiana die dargebotene Hand.
„Lissy, mein Liebes, zeig Miss Daventry, wo sie sich frisch machen kann. Dann bring sie in den Kleinen Speisesalon.“
Christiana
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