Nur ein einziger Kuss, Mylord?
schieben. Vergeblich, er ließ sie nicht los.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Madam?“ Matthew trat zu ihnen. „Soll ich Miss Daventry nicht besser stützen, wenn wir zum Haus gehen, Julian?“
„Ja, tu das.“ Nun endlich gab er sie frei. „Wenn du dich um dein Pferd gekümmert hast.“
„Längst erledigt“, erwiderte Matthew lässig. „Haken Sie sich bei mir unter, Miss Daventry.“
Er bot ihr den Arm, und Christiana hängte sich dankbar ein. Sie wagte einen vorsichtigen Schritt und stellte erleichtert fest, dass sie laufen konnte, auch wenn sie sich fühlte, als habe man sie durch den Fleischwolf gedreht.
Aber die kurze Strecke zum Haus würde sie schaffen. Um jeden Preis.
Julian sah ihr hinterher, wie sie an Matthews Seite langsam den Hof überquerte. Der Himmel mochte ihm beistehen. In dem kurzen Moment, da er sie festgehalten hatte, schienen Miss Daventrys Reize sich regelrecht in seine Sinne eingebrannt zu haben. Das Gefühl ihres schlanken Körpers an seinem … der Druck ihrer kleinen Brüste gegen seinen Brustkorb. Jener feine Geruch nach Lavendel, der sie umgab … der Anblick der einen sattbraunen Locke, die sich vorwitzig in ihre Stirn geringelt hatte. Ihre erschrocken dreinblickenden faszinierenden Augen hinter der irreführend langweiligen Brille … Und erst diese weichen, leicht geöffneten Lippen …
Er ertappte sich bei der Überlegung, wie sie wohl schmecken mochte. Nein, mehr als das – bei dem irritierenden Wunsch, es herauszufinden . Angesichts dessen war es ohne Zweifel das Beste, wenn er ihr aus dem Weg ging. Nicht dass er das Ansinnen hatte, sie zu verführen. Aber auf den Verdruss, der sich jedes Mal unweigerlich einstellen musste, wenn er sich vor Augen hielt, dass er es nicht durfte , konnte er wahrhaftig verzichten.
In den Tagen, die ihrem ersten Ausflug zu Pferde folgten, richtete Christiana ihre Aufmerksamkeit darauf, sich möglichst bruchlos in die Abläufe des Haushalts einzufügen. An den Vormittagen unterrichtete sie Davy und Emma. Nach dem Mittagessen unternahm sie einen Spaziergang mit Emma und Lissy und übte mit ihnen Konversation in Italienisch und Französisch.
Lord Braybrook bekam sie so gut wie nie zu Gesicht. Er schien beschlossen zu haben, sie zu ignorieren, jedenfalls wenn sie danach urteilte, dass er sie nur dann ansprach, wenn es absolut unvermeidlich war, und keinerlei Anstalten mehr machte, sie hinzuzubitten, wenn er mit seinen Schwestern ausritt.
Die meisten Nachmittage verbrachte sie daher mit Lady Braybrook, außer wenn Seine Lordschaft verhindert war. Bei diesen Gelegenheiten wurden sie und die beiden jungen Damen beim Ausreiten von einem ältlichen Stallknecht begleitet, der ihr geduldig Anweisungen gab und sie offenbar gut leiden konnte.
Doch genau so sollte es sein, sagte sie sich, als sie sich eine Woche nach ihrer Ankunft mit Emma und Alicia in den Park setzte, damit die Mädchen ihre Fähigkeiten im Zeichnen übten. Ob Lord Braybrook ihr gewogen war oder nicht, stand nicht zur Debatte. Es zählte nur, dass sie ihre Arbeit gut machte. Lady Braybrook war zufrieden mit ihr, und der Plan Seiner Lordschaft schien aufzugehen wie gewünscht. Es gab zahllose Gelegenheiten, Alicia vor Augen zu führen, wie der Ehealltag für sie aussähe, wenn sie Harry heiratete … etwa die anstehende Zeichenstunde.
„Wir haben Amberley schon so oft zeichnen müssen“, beschwerte sich Emma, als sie ihre Stifte auspackte.
Christiana ließ sich nicht beeindrucken. „Prima. Dann können wir die Zeichnungen vergleichen! Du wirst sehen, wie unterschiedlich die Wiedergabe eines vertrauten Anblicks ausfallen kann, wenn etwas Zeit dazwischenliegt. Und vor allem, wie sehr der Stil sich ändert.“
Emma zog ein Gesicht. „Mir wäre eines der Pferde als Motiv lieber.“
Ungeachtet dessen begann sie zu zeichnen. Alicia tat es ihr nach. Stille breitete sich aus, bis Christiana die Stunde für beendet erklärte und sich die Werke ihrer Schülerinnen ansah.
Sie hatte Mühe, nicht zu schmunzeln. Beide Skizzen sagten ebenso viel über Amberley aus wie über die jungen Künstlerinnen. Emmas Bild war sehr wirklichkeitsgetreu, bis hin zur Anzahl der Fenster und den Bäumen und Büschen, die sie von ihrem Blickwinkel aus sehen konnte. Alicias dagegen zeigte Amberly als ein düsteres Gebilde grauer Steine vor einem dramatischen Wolkenhimmel.
„Aber es ist doch sonnig heute!“, protestierte Emma, als sie einen Blick darauf warf.
Alicia blitzte sie an. „Na und? In
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