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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Ehemalige einladen? Was lag näher, als sich an die Mitglieder seiner alten Clique zu wenden, zu der auch Karen zählte?
    Während der Pastor die Trauergäste begrüßte und sich neben den mit gelben Rosen geschmückten Sarg stellte, schweiften meine Gedanken zurück zu den fünf Mitgliedern dieser verschworenen Gemeinschaft, die mir einmal das Leben zur Hölle gemacht hatten: Udo und Karen hatten ebenso dazugehört wie Hans Behrens, Torsten Mey und Gundula Hauser. Gedanken an sie ließen mich immer noch meine damalige verzweifelte Sehnsucht spüren, unsichtbar zu werden, um nicht länger ihren gnadenlosen Blicken, ihren unerträglichen Hänseleien und ihrem unverhohlenen Getuschel ausgesetzt zu sein. Nie wieder in meinem Leben hatte ich jemanden so sehr gehasst und gefürchtet wie diese fünf.
    »... die Beschädigung seines guten Rufs ...«
    Wortfetzen drangen an mein Ohr und rissen mich aus meinen Gedanken.
    »... dass er keinen anderen Ausweg sah, als seinem Leben ein Ende zu setzen.«
    Udo hatte sich umgebracht? Beinahe hätte ich es laut in den Räum gesagt. Der Mann, dessen einziges Bestreben als Jugendlicher darin bestanden hatte, nicht nur mich, sondern auch andere kleinzukriegen, der mit unbarmherziger Schärfe auf die Achillesferse eines jeden gezielt hatte, der eine Schwäche zeigte, dieser Mann sollte Selbstmord begangen haben?
    »... aber wir müssen ihm verzeihen, müssen seine Entscheidung respektieren.«
    Ich ließ mich gegen die Lehne der Holzbank sinken. Was hatte dieses scheinbar unbesiegbare Monstrum in die Knie gezwungen?
    Während leise Musik einsetzte, starrte ich auf den Sarg. Ein Triumphgefühl wollte sich nicht einstellen. Ich hätte es besser wissen sollen, schließlich war ich nicht der Mensch, der auf einem Grab tanzte und von göttlicher Gerechtigkeit faselte. Udos Tod schaffte keinen Ausgleich für das, was er mir oder irgendeinem anderen Menschen angetan hatte.
    In meiner Erinnerung hatten ihn andere entweder bewundert oder gefürchtet. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass es Menschen gab, die ihn liebten. Bis zu diesem Moment, als ich (las verzweifelte Schluchzen seiner Familie hörte. Einer nach dem anderen ging zum Sarg und verabschiedete sich vom Sohn, Ehemann, Vater und Freund. Als Letzte stand Karen auf, ging nach vorne und blieb einige Minuten vor dem Sarg stehen. Dann verließ auch sie die Kapelle.
    Es war ein merkwürdiger Moment, in dem ich allein mit ihm zurückblieb. Mit zögernden Schritten trat ich nach vorne. Unter dem festgeschraubten Holzdeckel lag der Mann, der einmal mein schlimmster Alptraum gewesen war und von dem in kürzester Zeit nur noch ein Häufchen Asche übrig bleiben würde. Vorsichtig streckte ich meine Finger aus und strich über die Kante des Sarges. In meinen Tagträumen hatte ich mir manchmal ausgemalt, wie es wäre, ihm wieder zu begegnen. Dann war stets ich die Stärkere gewesen und hatte ihm heim­ gezahlt, was er mir angetan hatte. Es waren entlastende Träume gewesen.
    »Du kannst mir nichts mehr tun!«, flüsterte ich.
    Der Sonnenschein, der mich draußen empfing, war ein so starker Kontrast zu dem gedämpften Licht in der Kapelle, dass ich sekundenlang nichts sehen konnte.
    »Hallo, Carla.«
    Der Wind hatte den Klang von Karens Stimme verwischt, aber ich erkannte sie trotzdem. Rund zwanzig Meter von mir entfernt entdeckte ich sie auf einer Bank im Schatten eines Baumes.
    »Hallo«, sagte ich abweisend und setzte meinen Weg fort. Eilig kam sie mir hinterher. »Warte bitte, Carla!«
    »Ich habe keine Zeit.« Mein Rücken versteifte sich.
    Sie hielt mich am Arm fest und zwang mich anzuhalten. »Nur zwei Minuten.«
    »Was willst du?« Mit einem Ruck befreite ich meinen Arm aus ihrem Griff. »In Erinnerungen schwelgen? Dann lass dir gesagt sein, dass meine Erinnerungen nicht dazu angetan sind, darin zu schwelgen.«
    »Was ist denn in dich gefahren? Ich habe dich ganz freundlich begrüßt und du ...«
    »Ich?«, fragte ich spöttisch. »Ich habe ein gutes Gedächtnis, und das verträgt sich nicht mit Freundlichkeit gegenüber einer der  glorreichen Fünf .«
    »Ach, mein Gott, die alten Geschichten. Das war Kinderkram, nichts weiter.«
    »Entschuldigst du so alles vor dir selbst? Dann machst du es dir verdammt einfach.« Ich ließ sie stehen und ging weiter.
    »Ist das eine Epidemie oder hast du dich mit Nadine abgesprochen?«, rief sie mir hämisch hinterher. »Na ja, wäre auch kein Wunder. Ihr habt ja früher schon immer zusammengegluckt ­

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