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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Trauerfeier.« Sie zog ans ihrer Umhängetasche einen Umschlag und hielt ihn mir entgegen. »Da steht alles drin ...« Widerstrebend griff ich danach.
    Die Sonne war hinter einer Wolke hervorgekommen. Von ihr geblendet, drehte sie den Kopf leicht zur Seite. »Wir begraben ihn in Plön.«
    Ohne mich! Ich hatte nicht vor zwanzig Jahren ihn und die anderen hinter mir gelassen, um jetzt zu seiner Trauerfeier zu gehen. Allein die Erwähnung seines Namens hatte genügt, um unangenehme Erinnerungen aufleben zu lassen. »So kurzfristig kann ich hier nicht fort«, sagte ich in einem Tonfall, der sowohl Bedauern als auch Entschlossenheit ausdrückte.
    »Was ist denn schon eine abgesagte Reitstunde gegen seine Trauerfeier? So ein Abschied ist unwiederbringlich. Eines Tages bereust du es vielleicht, nicht hingegangen zu sein.«
    Ganz bestimmt nicht! Der Udo, den ich gekannt hatte, hatte in mir nicht den Wunsch reifen lassen, ihm die letzte Ehre zu erweisen. »Ich werde sehen, ob ich es einrichten kann.«
    »Wenn du ein Problem damit hast, es mir zuliebe zu tun, dann tu es für meine Eltern. Sie haben es nicht verdient ...« Der Rest des Satzes ging in einem Schluchzen unter. Aus ihrer Tasche zog sie ein Papiertaschentuch und wischte sich damit die Tränen aus den Augen. »Ich baue auf dich, Carla.«
    Bevor ich etwas erwidern konnte, lief sie mit hängenden Schultern zu ihrem Auto und setzte sich hinein. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich den Motor anließ und vom Hof fuhr. Hätte ich nicht den Brief in Händen gehalten, wäre mir ein Tagtraum für das, was ich gerade erlebt hatte, als die wahrscheinlichste Erklärung erschienen.
    Missmutig zog ich die Karte aus dem Umschlag. Wie ich vermutet hatte, handelte es sich um Udos Todesanzeige. Sie war ebenso sachlich wie knapp gehalten und verriet nichts über seine Todesursache. Weder war etwas von einem tragischen Unfall zu lesen noch von einer schweren Krankheit. Eines von beidem wird es gewesen sein, überlegte ich pragmatisch, woran sonst sollte ein Vierunddreißigjähriger sterben? Ich schob die Anzeige zurück in den Umschlag, faltete ihn zusammen und ließ ihn in meiner Hosentasche verschwinden. Nur ein unüberwindliches Gefühl von anerzogener Pietät hinderte mich daran, ihn zu zerreißen und auf den Müll zu werfen.
    In Plön hatte sich viel verändert in den vergangenen zwanzig Jahren. Ich fühlte mich wie eine kühle Beobachterin, aber nicht wie ein Kind dieser Stadt, die so viele mit ihrem Charme betörte. Als ich die Straße kreuzte, in der mein ehemaliges Elternhaus stand, beschleunigte ich das Tempo.
    Ich hatte nicht vorgehabt, Melanies Einladung zu folgen. Warum ich trotzdem zu Udos Trauerfeier ging? Es war eine Mischung aus Hoffnung und Triumph. Hoffnung, alles, was mit ihm zusammenhing, ein für alle Male mit ihm zu Grabe zu tragen. Und Triumph, dass er mich nicht mehr verletzen konnte. Weder mit seinem überheblichen, selbstherrlichen Blick noch mit widerlichen »Späßen« oder seinen Worten, die es mit Keulenschlägen ohne weiteres hatten aufnehmen können.
    Ich hatte mich in die hinterste Reihe der Friedhofskapelle verziehen wollen, um direkt nach der Trauerfeier verschwinden zu können. Als ich, die Kapelle um fünf vor elf betrat, stellte ich überrascht fest, dass sich außer mir nur fünfzehn Leute im Raum befanden. Sie verteilten sich auf die ersten beiden Reihen. In der Todesanzeige hatte elf Uhr gestanden. Trotzdem vergewisserte ich mich bei einem Mitarbeiter des Bestattungsinstituts und setzte mich dann mit großem Abstand einige Reihen hinter die anderen.
    Mein Blick wanderte zur vordersten Bank. Ich erkannte Melanie, die zur Rechten eines älteren Paares saß, bei dem es sich, vermutlich um ihre Eltern handelte. Die Frau rechts von ihr' musste Udos Witwe sein. Sie war eingerahmt von zwei kleinen Mädchen. Alle hielten ihre Köpfe gesenkt und wirkten völlig erstarrt. Viele sind es nicht, die Udo sein letztes Geleit geben und um ihn trauern, dachte ich nüchtern. Kein Wunder!
    Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr, die mich zur Seite sehen ließ. Eine Frau hatte sich an den rechten äußeren Rand meiner Bank gesetzt. Für Sekunden begegneten sich unsere Blicke - lange genug, um einander wiederzuerkennen. Karen Klinger grüßte mich mit einem angedeuteten Nicken.
    Wie hatte ich so dumm sein können? Wenn Melanie mich als frühere Klassenkameradin ihres Bruders zur Trauerfeier gebeten hatte, warum sollte sie nicht auch andere

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