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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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die Dicke und die Schicke.«
    Vielleicht wäre ich weitergegangen, wenn sie auf ihre letzten Worte verzichtet hätte, aber mit einem Mal kamen die alten Gefühle wieder hoch: Wut, Verzweiflung und Scham, die sie und ihre Kumpane mit ihren tagtäglichen Schikanen geschürt hatten. Während ich im Stillen noch meine Entgegnung formulierte, spürte ich, wie sehr diese Gefühle mit den Jahren an Intensität verloren hatten. Hatte ich ihr und den anderen in meinen Tagträumen noch Gift und Galle entgegengeschleudert, hatte ich sie am Boden liegen sehen und mich an ihrem Unglück geweidet, so stellte ich jetzt erstaunt fest, dass wenig mehr als Kälte und Verachtung übrig geblieben war. Ich war nicht mehr der Teenager, der ihnen wehrlos ausgeliefert war.
    Ich hatte zwanzig Jahre Zeit gehabt, um mir ein Leben aufzubauen, das mich froh machte, und um das Selbstbewusstsein wiederzugewinnen, das sie mit ihren sadistischen Attacken zerstört hatten.
    Zwei Meter vor ihr blieb ich stehen. »Was hältst du davon, wenn du dich der Wissenschaft zur Verfügung stellst?«
    Ihr Lachen war voller Hochmut. »Wie bitte?«
    Du bist der beste Beweis dafür, dass sich der Charakter eines Menschen nicht ändert. Du warst früher schon ein niederträchtiges Miststück, und du bist es heute noch.«
    Sie funkelte mich böse an. »Was glaubst du, wer du bist, Carla Janssen?«
    »Carla Bunge!«
    »Oh ... wir haben unseren Nachnamen geändert! Na ja, bei den Vater hätte ich das auch getan.« Sie genoss ihre Breitseite sichtlich. »Obwohl es ja Leute geben soll, die auf Viktor Janssen schwören. Schlechter Geschmack ist eben weiter verbreitet als man gemeinhin denkt.«
    Eine seltsame Ruhe überkam mich. Ich betrachtete die blonden langen Haare, die ihr etwas Engelsgleiches verliehen, und ihr ebenmäßiges, hübsches Gesicht, das so gar nichts von ihrer gemeinen Ader preisgab. Karen zählte zweifellos zu jenen Menschen, denen ihre Boshaftigkeit nicht ins Gesicht geschrieben stand.
    »Ich hoffe nur, dass du keine Kinder erziehst - weder eigene noch fremde.« Ich ließ meinen Worten Zeit zu wirken. »Dein Weltbild ist es nicht wert, weitergegeben zu werden.«
    Sie zuckte merklich zusammen und holte zum Gegenschlag aus. »Bei dir sind es dann wohl eher die Gene, die nichts wert sind.«
    Betont gelassen musterte ich sie. »Es ist sehr heilsam, dich wiederzusehen, Karen. In meiner Erinnerung wart ihr alle groß und stark. Aber diese Erinnerung hält der Realität nicht stand. Udo liegt da drinnen und wird spätestens in vierundzwanzig Stunden zu einem Häufchen Asche zusammengeschrumpft sein, und du bist auf dem armseligen Stand zurückgeblieben, auf dem du schon mit vierzehn warst.«
    Ihr Gesicht verzog sich zu einer verächtlichen Maske. »Glaubst du, nur weil du abgespeckt hast, bist du eine andere?«
    »In gewisser Weise schon. Ich bin meinen Kummerspeck losgeworden, weil ich nicht mehr unglücklich bin. Und das ist eine ganz entscheidende Veränderung.«
    »Weißt du was, Carla Janssen? Und wenn du noch zehn Kilo abnimmst, du bist und bleibst Abschaum.«
    Als ich ihren angewiderten Gesichtsausdruck sah, musste ich lachen. »Du hattest damals schon keinen Blick für Menschen. Und jetzt entschuldige mich bitte.« Ich kramte meinen Autoschlüssel aus der Tasche und ging ohne einen Gruß an ihr vorbei.
    »Sag deinem Aas von Freundin, dass sie es nicht wagen soll, noch einmal in meiner Praxis aufzutauchen«, schrie sie mir hinterher.
    »Ich weiß nicht, von wem du sprichst.«
    »Von Nadine Scholemann natürlich, mehr Freundinnen hattest du schließlich nicht. Oder hast du dir diesen armseligen Zustand in deiner Erinnerung schöngefärbt?«
    Ganz kurz stockte, ich, um dann unbeirrt weiterzugehen.
    Aber sie hatte mein Stocken richtig interpretiert. »Die Schicke ist wieder im Lande. Wusstest du das etwa nicht? Hat sie sich nicht gleich mit der Dicken in Verbindung gesetzt? Dabei müsstet ihr euch eine Menge zu sagen haben. Sie ist mindestens genauso nachtragend und unerträglich wie du.«
    Die Entgegnung, die mir auf der Zunge lag, schluckte ich hinunter. »Weißt du, wo sie wohnt?«
    »Bin ich die Auskunft?«
    Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, stieg ich in mein Auto. Erst als der Friedhof aus meinem Rückspiegel verschwunden war, atmete ich auf.
    Basti erwartete mich nicht vor vierzehn Uhr zurück. Blieb mir noch eine Dreiviertelstunde, in der ich mir unter der Dusche den Schmutz abwaschen konnte, mit dem Karen mich beworfen hatte.
    Ich zog

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