Nur ein Gerücht
verhielten.« Sie kam aus der Box heraus, wo sie ihr Pferd trocken gerieben hatte, und verriegelte die Tür. »Eine Bedingung stelle ich allerdings. Sie müssen Ende Juni zu unserem diesjährigen Sommerfest kommen. Dieses Mal akzeptiere ich Ihre Absage nicht, Frau Bunge.«
»Frau. Neumann, ich ...«
»Sie können mitbringen, wen Sie wollen, und wenn es Oskar ist«, sagte sie verschmitzt, »aber kommen müssen Sie. Sonst bin ich Ihnen ernstlich böse.«
»Wenn ich mich im Stall loseisen kann, will ich sehen, was sich machen lässt.«
»Keine Sorge, ich schicke Ihnen die Einladung so rechtzeitig, dass Sie dieses Loseisen gut vorbereiten können. Es werden ein paar nette Junggesellen da sein, dann können wir gleich ein bisschen an Ihrer Zukunft basteln.«
»Ehrlich gesagt bin ich mit meiner Zukunft, so wie sie sich abzeichnet, ganz zufrieden«, sagte ich mit leichtem Befremden.
»Jetzt bin ich Ihnen zu nahe getreten, habe ich Recht?«
»Irgendwie schon.«
Ihr verständnisvoller Blick täuschte nicht über ihre Entschlossenheit hinweg. »Wenn mir vor ein paar Jahren nicht auch jemand zu nahe getreten wäre, hätte ich meinen Mann nicht kennen gelernt.«
»Wer weiß ... vielleicht doch. Meine Freundin ist der festen Überzeugung, es stünde ohnehin alles in den Sternen.«
»Wollen Sie sich etwa zurücklehnen und abwarten? Das wäre ein nicht wieder gutzumachender Fehler!«
»Ob Sie's glauben oder nicht, ich lebe gern allein.«
»Und ich wünsche Ihnen, dass die Sterne Sie eines Besseren belehren.«
»Also doch die Sterne?«, fragte ich grinsend.
»Ich glaube an das Dreigestirn von Sternen, Zufall und Selbsthilfe.« Mit einem Augenzwinkern nahm sie Sattel und Trense von der Halterung neben der Box und machte sich mit beidem Richtung Sattelkammer auf. »Unser Sommerfest zähle ich übrigens zur Selbsthilfe«, rief sie über die Schulter. »Nicht vergessen!«
Beim Öffnen der Haustür spürte ich einen Widerstand, der mich stutzen ließ. Ich steckte den Kopf durch den Türspalt, um nachzusehen, was dahinter lag, und entdeckte auf dem Boden unzählige Bücher, die am Mittag noch neben der Tür zwei Stapel gebildet hatten. Vorsichtig schob ich die Tür weiter auf und machte mich daran, die Bücher wieder zu stapeln.
Einstein, ein Kater aus der Nachbarschaft, musste sich mal wieder auf Mäusejagd durch eines meiner Fenster hereingeschlichen haben. Da ich nicht annahm, dass ihn irgendjemand einem Intelligenztest unterzogen hatte, war mir schleierhaft, warum sie dieses Tier so getauft hatten. Meiner Meinung nach passte Rambo weit besser zu ihm, denn die Mäuse hatten keinerlei Chance gegen ihn. Wann immer ich seine Spuren im Haus fand, war es danach noch tagelang mucksmäuschenstill. Normalerweise hinterließ Einstein als Dankeschön auf meinem Kopfkissen eine tote Maus, doch dieses Mal konnte ich keine entdecken. Offensichtlich war sein Hunger an diesem Tag größer gewesen als seine Dankbarkeit.
Die Sache mit dem Hunger konnte ich gerade in diesem Moment besonders gut nachempfinden - mein Magen knurrte erbarmungswürdig. Da ich vergessen hatte einzukaufen, fuhr ich kurz entschlossen zu Christian. Um für seine Gäste immer erreichbar zu sein, bewohnte er unter dem Dach von Flint's Hotel eine Suite, die mich von der Größe her an mein Haus erinnerte. Damit hatten sich die Ähnlichkeiten allerdings, denn den Komfort, an dem es meinen vier Wänden entschieden mangelte, gab es hier im Überfluss. Allein in seinem Badezimmer hätte ich gerne einmal eine Woche Wellness-Urlaub verbracht.
Ich vergewisserte mich an der Rezeption, dass er da war, besorgte mir in der Küche, wo man seit Jahren an meine Überfälle gewöhnt war, eine doppelte Portion Pasta und trug den Teller die zwei Etagen hoch.
»Kühlschrank leer?«, fragte er, als er mir die Tür öffnete.
»Und Sehnsucht nach dir.« Schnurstracks steuerte ich hinter der Tür den Stiefelknecht an, der dort für mich stand, zog meine Reitstiefel aus und ließ mich mit einem wohligen Seufzer an seinem ovalen Esstisch nieder.
Christian war an der Tür stehen geblieben. »Nein, du störst nicht. Ja, mach es dir bequem ...« Er sah mich mit einem betont devoten Blick an, um als Krönung noch einen Diener hinterherzuschicken.
»Entschuldige! Habe ich dich gestört?«
Sein Blick drückte Unmut aus.
»Wobei?« Blitzschnell sah ich mich um, konnte aber weder ein aufgeschlagenes Buch noch einen eingeschalteten Fernseher entdecken.
»Es geht nicht um ein spezielles
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