Nur ein Gerücht
hatte, flüchtete ich mich in ihren Schutz und blickte den Feldweg entlang. Franz Lehnert stand immer noch dort, wo ich ihn verlassen hatte. Er sah unverwandt in meine Richtung. Schlecht gelaunt schloss ich meine Haustür auf, ließ sie mit einem Knall ins Schloss und mich selbst mit einem Seufzer auf mein Sofa fallen. Plötzlich tauchten ständig Leute bei mir auf und machten mir das Leben schwer. Was wollte nach all diesen Jahren mein Vater von mir? Mein Leben war schon ohne ihn kompliziert genug.
»Frau Bunge ... Carla ... bitte, hören Sie mich an.« Er stand vor der Tür und klopfte zaghaft. »Ihr Vater ist sehr krank Es würde ihm sicher helfen, wenn er sich von Ihnen verabschieden könnte. Er leidet sehr unter der ungeklärten Beziehung zu Ihnen.«
Was war an unserer Beziehung ungeklärt? Mein Weggang vor zwanzig Jahren hatte sie mehr als geklärt.
»Bitte, Frau Bunge ...«
Nein! Nein! Nein! Ich hielt mir die Ohren zu, so dass ich ihn nicht mehr hörte. Geschlagene fünf Minuten hielt ich mein Abtauchen in die Stille durch, um dann festzustellen, dass von draußen außer dem Wind, der ums Haus fegte, nichts mehr zu hören war.
Trotz der dicken Wolkendecke, die während des Tages herauf gezogen war, hatte es mich am Abend nach draußen auf meine Veranda gezogen. Kaum saß ich dort, hatte ich wieder das Gefühl, beobachtet zu werden. Wahrscheinlich litt ich langsam unter Verfolgungswahn. Kein Wunder, wenn ständig jemand auftauchte und meinen Seelenfrieden störte. Als könne sie mich gegen ungebetene Blicke schützen, zog ich die Decke fester um meine Schultern und sah mich nach allen Seiten um. Ich entdeckte jedoch nur Susannes Wagen, der den Feldweg heraufgefahren kam. Kurz darauf stieg sie aus und trat mit einem Topf in beiden Händen auf mich zu.
»Ich hoffe, du hast noch nicht gegessen«, sagte sie geschäftig. »Ich habe Unmengen von Kartoffelsuppe gemacht und dachte, du würdest sie vielleicht gerne probieren.«
»Das ist aber ein ziemlich großer Topf zum Probieren.« Ich war froh, sie zu sehen. »Setz dich.«
»Ich kann nur ganz kurz bleiben, da ich mich heute Abend mit einer Frau treffe, die mir etwas über Tarot-Karten beibringen will.«
»Was steht denn dieser Tage in meinem Horoskop?«, fragte ich wie nebenbei.
»Gibt's Ärger?«
»Wieso?«
»Weil du immer nur dann an deinem Horoskop interessiert bist.«
»Hans Pattberg.« Den nicht eben kleinen Rest verschwieg ich geflissentlich.
Sie runzelte die Brauen. »Was, der nervt immer noch?«
Ich nickte. »Sag schon, was stand drin?«
Ihr war anzusehen, dass sie sich innerlich wand. »Deine Planetenkonstellation ist vielleicht eine Spur ungünstig momentan«, meinte sie zögernd, während sie fröstelnd ihre Schultern hochzog und ihre Arme um den Körper schlang.
»Und das bedeutet?«
»Ärger auf der ganzen Linie.«
»Warum fragst du mich dann, ob es welchen gab?«, fragte ich muffig. »Traust du deinen Sternen nicht?«
»Es sind auch deine Sterne, Carla. Und gefragt habe ich dich, weil ich nicht möchte, dass du annimmst, ich könne in deiner Seele wie in einem Buch lesen. Das kann ich nämlich nicht.«
Und es wäre momentan auch kein Vergnügen, fügte ich im Stillen hinzu. Mit einem Blick auf die Uhr stand sie auf. »Ich muss los.«
Ich begleitete sie zum Auto. »Hast du eigentlich jemanden gesehen, als du gekommen bist?«
»Nein. Erwartest du jemanden?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe mich beobachtet gefühlt, das ist alles. Blöd, nicht?«
Sie sah sich ungläubig um. »Wer soll dich hier beobachten außer ein paar Schwalben?«
»Du hast Recht, und jetzt fahr los!« Ich hielt ihr die Autotür auf.
»Kommst du auch wirklich zurecht?«
»Ich habe hier schließlich einen ganzen Topf voller Kartoffelsuppe. Keine schlechte Waffe gegen mögliche Angreifer ...«
»Wäre da nicht ein Baseballschläger besser?«
»Keine Sorge, der liegt griffbereit unter meinem Bett.«
»Ist nicht dein Ernst, oder?«
»Natürlich! Ich bin zwar relativ sorglos, was das Verriegeln meines Hauses betrifft, aber ich bin nicht lebensmüde.«
»Und du würdest zuschlagen? Du kannst ja noch nicht einmal deinen Mäusen etwas zuleide tun.«
»Die bedrohen mich ja auch nicht. Und jetzt fahr endlich!« Einen Moment lang schaute ich ihr noch nach und ging dann ins Haus.
Da ich zum Lesen zu müde war, begann ich lustlos, Küche und Bad zu putzen, um dann auch noch den Rest des Hauses in An griff zu nehmen. Nach einer Stunde übermannte mich das
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