Nur ein Gerücht
und sich dafür entschuldigt hätten?«
»Nein!« Es klang unumstößlich. »Eine Entschuldigung zielt auf Absolution, und die bekommen sie von mir nicht.«
»Aber erkennt nicht derjenige, der sich bei dir entschuldigt, damit auch dein Leid an? Werden dadurch nicht beide entlastet? Täter und Opfer?«
»Das ist mir zu einfach«, wehrte sie kategorisch ab. »Ich habe nicht vor, auch nur einen dieser Bande zu entlasten!«
»Vielleicht ist es aber besser, die Gedanken an sie irgendwann loszulassen, damit du deinen Frieden findest.«
»Worüber reden wir hier, Carla? Über reine Fiktion. Keiner der glorreichen Fünf hat auch nur einen Versuch unternommen, sich zu entschuldigen. Außerdem hast du mit deiner Baseballschläger-Therapie gut reden.«
»In der Phantasie bist du frei, und du bleibst es auch. Was immer du tust- du gehst straffrei aus«, sagte ich mit einem Schuss Selbstironie, um gleich darauf wieder ernst zu werden. »Aber es geht nicht nur um Straffreiheit. Wenn du sie nicht irgendwann loslässt, dann behalten sie dein ganzes Leben lang Macht über dich. Du bleibst auf ewig ihr Opfer.«
»Ich bin ihr Opfer!«
»Und ich glaube, es liegt in deiner Hand, was du daraus machst. «
»Da gebe ich dir Recht.«
Es waren ambivalente Gefühle, mit denen ich mich von ihr verabschiedet hatte. Einerseits war ich froh, sie getroffen zu haben, andererseits spürte ich, wie sehr mich ihre unversöhnliche Haltung aufwühlte. Ich war lange genug selbst in Hassgefühlen gefangen gewesen, um zu wissen, dass sie keine heilsame Wirkung hatten.
Es würde nie so weit kommen, dass ich Udo und Konsorten verzieh, aber wann immer sich die Geschehnisse von damals in meine Gedanken drängten, versuchte ich, sie zu akzeptieren - als Teil von mir, als eine Erfahrung, die ich durch nichts würde ungeschehen machen können.
»Etwas Gutes hat so eine verletzte Seele«, flüsterte ich Oskar zärtlich zu, als ich auf dem Weg zum Stall bei ihm anhielt. »Sie erkennt ihresgleichen.«
Ohne seine Zustimmung abzuwarten, lief ich weiter. Ich hatte mich verspätet und hoffte, dass Basti bei dem geplanten Ausritt für mich eingesprungen war.
Als ich auf das Stallgebäude zulief, sah ich die Gruppe bereits unter Bastis Kommando aufsitzen. »Tut mir Leid, dass ich so spät dran bin«, rief ich ihm entgegen.
»Ich übernehme deinen Ausritt, Carla. Auf dich wartet genug Arbeit«, meinte er mit einer Betonung, die mich augenblicklich in Alarmbereitschaft versetzte.
»Was für Arbeit?«
Er bat die Gruppe, ein Stück vorauszureiten. »Kopfarbeit!«, sagte er, als die Reiter außer Hörweite waren. »Kurz nachdem du fort warst, trabten sechs der Weidegänger hier auf den Hof. Das Gatter stand sperrangelweit offen, und im Durchgang lag eine Spirale Stacheldraht.«
Vor Schreck wurde mir kalt. »Hat sich eines der Pferde verletzt?«
»Nicht nur eines. Merlin und Dino hat es erwischt. Beide haben tiefe Fleischwunden an den Fesseln. Donna hat eine Sehnenzerrung. Zum Glück habe ich Doktor Michels gleich erreicht. Er hat die drei bereits verarztet und kommt morgen wieder.« So wie es aussah, hatte auch Basti einen gehörigen Schreck bekommen.
»Ich begreife das nicht.«
»Dabei ist es denkbar einfach«, sagte er aufgebracht. »Jemand hat das Gatter geöffnet und die Stacheldrahtspirale dorthin gelegt, damit sich die Pferde beim Hinauslaufen verletzen. Zielgerichtetes Handeln nennt man das.«
Mir war ganz flau im Magen. Ich sah ihn Hilfe suchend an. »Du bist auf der falschen Fährte, Carla! Mein Großvater hat damit nichts zu tun. Er ist heute in aller Herrgottsfrühe zur Feier eines achtzigsten Geburtstags nach Hamburg aufgebrochen.«
»Und das glaubst du ihm?«, fragte ich erbost. »So eine Fahrt kostet Geld.«
Bastis Gruppe, die in einiger Entfernung auf ihn wartete, wurde langsam unruhig. Er rief ihnen zu, sie sollten sich noch einen Moment gedulden.
»Lass sie nicht warten, Basti.«
»Sie werden warten müssen, bis ich das zurechtgerückt habe. Ich habe vorhin nicht umsonst von Kopfarbeit gesprochen. Großvater kann es nämlich keinesfalls gewesen sein. Er wurde von drei Bekannten abgeholt. Um Geld zu sparen, haben sie sich zu einer Fahrgemeinschaft nach Hamburg zusammengetan. «
»Das beweist alles gar nichts, er kann an der nächsten Ecke wieder ausgestiegen sein.«
Er sah mich mitleidig an. »Ich wusste, dass du so denken würdest, deshalb habe ich seinen Schreibtisch nach der Einladung durchwühlt, habe, keine halbe
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