Nur ein Gerücht
an dir wollte ich mich nicht rächen. Ich wollte etwas wieder gutmachen. Deshalb hin ich froh, dass wir uns über den Weg gelaufen sind. Es sollte wohl so sein.«
»Vielleicht ...« , meinte sie vage.
»Wo lebst du jetzt?«
»Mal hier, mal da. Ich halte es nirgends lange aus.« Sie ließ ihren Blick über die anderen Gäste schweifen.
»Wie kommt es, dass du in Flint's Hotel abgestiegen bist und nicht im Hotel deines Stiefvaters in Plön?«
»Er hat sein Hotel dort schon vor vielen Jahren verkauft und eines auf Fuerteventura übernommen. Ich nehme an, dass meine Mutter die treibende Kraft war, sie ist eine Sonnenanbeterin.«
»Hat er nie Heimweh bekommen?«
In ihr Lächeln mischte sich Überlegenheit. »Von hier fortzugehen muss für dich damals die Hölle gewesen sein. Du warst so verwachsen mit dieser Landschaft.«
»Zu bleiben wäre noch schlimmer gewesen. Aber die Holsteinische Schweiz hat mich nie losgelassen. Vor fünf Jahren bin ich endlich zurückgekehrt. Seitdem betreibe ich den Bungehof.«
»Und das ganz erfolgreich, wie Basti sagte.«
Mir wurde warm ums Herz bei diesen Worten. »Anfangs war es hart. Ich musste mehrere Durststrecken überwinden, bis der Bungehof mich ernähren konnte. Inzwischen habe ich aber eine beachtliche Warteliste.«
»Und darauf bist du stolz, oder?«
»Ja«, gab ich offen zu. »Vor kurzem ist mein hart erkämpfter Erfolg allerdings auf eine harte Probe gestellt worden. Der Besitzer des Bungehofs hat alles darangesetzt, den Hof in Verruf zu bringen. Sachen verschwanden, andere wurden beschädigt, ein Pferd bekam eine Kolik, weil es vermutlich unreife Äpfel gefressen hatte, und, und, und.«
»Ist das so schlimm?«
»Wenn sich so etwas häuft, kann das für einen Hof den Ruin bedeuten.«
»Warum hat der Mann das getan?«
»Weil er den Hof für sehr viel Geld verkaufen kann. Aber ich hoffe, dass der Spuk jetzt ein Ende hat. Er ist aufgeflogen und muss damit rechnen, dass ich ihn anzeige. Übrigens war er nicht der Einzige, der mir übel mitgespielt hat. Udos Schwester Melanie hat auch versucht, mir zu schaden. Aber auch das ist jetzt hoffentlich vorbei.«
»Udos Schwester? Wieso ...?«
»Sie kann mir nicht verzeihen, dass ich Udo keine Träne nach weine. Ich habe ihr gegenüber keinen Hehl daraus gemacht, wie sehr ich ihn verabscheue - auch über seinen Tod hinaus.«
»Ihr Problem«, meinte Nadine gelassen. »Udo war ein mieses Schwein. Ich habe kein Mitleid mit ihm ... mit keinem von dieser Bande.«
»Hast du eigentlich bis zum Abitur durchgehalten?«
Ihre Mundwinkel bogen sich nach unten. »Leider war ich nicht in der glücklichen Situation, eine Mutter zu haben, die mich rettet. Meine hat meine Schwierigkeiten in der Klasse als Kinderkram abgetan, der sich verwächst. Sie meinte, ich dürfe nicht gleich bei der ersten Schwierigkeit, die sich mir in den Weg stellt, davonlaufen. Ich habe den Sadismus dieser Saubande noch vier Jahre zu spüren bekommen. Deinen Weggang haben sie übrigens als Erfolg ihrer Bemühungen verbucht.« Sie schloss die Augen und machte mit dem Kopf eine Bewegung, als wollte sie die hässlichen Erinnerungen verscheuchen. »Ich war schrecklich dumm. Später habe ich mich oft gefragt, warum ich nicht einfach schlechte Leistungen abgeliefert habe, so dass ich sitzen geblieben und in eine andere Klasse gekommen wäre. Stattdessen habe ich mich angestrengt, um Klassenbeste zu werden«, sagte sie voller Bitterkeit. »Und dafür habe ich dann noch mehr Ablehnung geerntet.«
Diese Kränkungen, die Sie erlebt haben, gehen nicht spurlos an einem vorbei , hatte Franz Lehnert erst gestern zu mir gesagt. »Wie bist du damit umgegangen?«, fragte jetzt ich Nadine.
»Ich habe sie gehasst, was sonst.«
»Hast du nicht später auch ständig nach Anerkennung gesucht?«
»Ich brauchte nicht lange danach zu suchen«, sagte sie mit unverkennbarem Stolz in der Stimme, »ich hatte ziemlich schnell Erfolg mit meinen Arbeiten.«
»Du Glückliche«, sagte ich nicht ganz ohne Neid.
Wie in Zeitlupe schüttelte sie den Kopf. »Mit Glück hatte das sehr wenig zu tun. Ich habe hart dafür gearbeitet.«
»Aber du bist nicht glücklich, nicht wahr?«
Ihr Blick wurde wieder unergründlich. »Ich arbeite daran, mein Glück zu finden.«
»Christian?«, fragte ich, obwohl allein der Gedanke mir einen Stich versetzte.
»Wer weiß ...«
»Wie lange wirst du bleiben?«
»Keine Ahnung.«
»Karen wollte übrigens deine Adresse haben.«
Erstaunt zog sie eine
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