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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Augenbraue hoch. »Hast du etwa Kontakt zu ihr?«
    »Ich habe sie auf Udos Beerdigung wiedergesehen. Sie hat mir erzählt, dass du sie vor kurzem in ihrer Praxis besucht hast. Warum hast du das getan?« Mir war es immer nur darum gegangen, den Mitgliedern der  glorreichen Fünf  aus dem Weg zu gehen.
    »Rein akademisches Interesse«, entgegnete sie gedehnt. »Ich wollte wissen, wie sie die Zeit damals in Erinnerung hat.« 
    »Sie findet uns beide nachtragend.«
    »Gute Diagnose. Allerdings scheint sie sich in der Therapie weniger gut auszukennen. Auf das Wort  Entschuldigung  kommt sie einfach nicht. Keiner von denen hat sich auch nur einen Deut geändert.«
    »Keiner?«, fragte ich überrascht. »Hast du außer Karen auch die anderen getroffen?«
    »Vor einem Jahr bin ich zu einem Klassentreffen gefahren. Bis auf Karen waren alle da. Hans ist Edel-Gastronom geworden, Torsten Pastor und Gundula hat einen Landrat geheiratet. Allen gemeinsam ist, dass sie größer und älter geworden und sich dabei selbst treu geblieben sind. Ich hatte erwartet, dass das Leben ihnen vielleicht etwas Demut oder Respekt vor ihren Mitmenschen beigebracht hat, aber sie waren überheblich, arrogant und selbstherrlich. Hans hat kleine Anekdoten aus den  Heldentaten  der Fünf zum Besten gegeben und sich darüber amüsiert, dass ich über keine einzige lachen konnte. Er meinte, ich habe schon damals keinen Humor besessen«, sagte sie hasserfüllt.
    »Hast du Udo auch gesehen?«
    Sie nickte. »Er wollte von damals nichts mehr wissen.  Lass mich in Ruhe damit, das ist lange vorbei «, wiederholte sie seine Worte. »Ich habe versucht, mit ihm zu reden, aber es war zwecklos, er hat völlig abgeblockt. Als ich nicht locker ließ, hat er das Klassentreffen verlassen.«
    »Seine Schwester behauptet, er hätte sich geändert.« 
    »Menschen ändern sich nicht! Oder kannst du dir vorstellen, dass aus einem Sadisten über Nacht ein guter Mensch wird?« Für sie schien die Antwort auf diese Frage klar zu sein. 
    »Vielleicht nicht über Nacht und auch nicht unbedingt ein guter Mensch, aber ...«
    »Hör auf zu träumen, Carla!«
    »Aber warum hat er das Klassentreffen verlassen? Flucht passt überhaupt nicht zu Udo.«
    »Er war der Alte, glaube mir.«
    »Dann hätte er dir nur ein paar seiner bewährten Sätze um die Ohren hauen müssen, und schon wärst du in der nächsten Ecke gelandet. Warum sollte er gehen?«
    »Was weiß ich ... vielleicht hatte er eine Verabredung.« In ihrem Blick lag eine offene Warnung. »Was wird das hier ­ eine Heiligsprechung? Aus deinem Mund?« Sie gab einen abfälligen Laut von sich. »Hast du so wenig Rückgrat?«
    Ihre Worte trafen mitten in eine Wunde, die sich nie wirklich geschlossen hatte. »Hass verstellt leicht den Blick auf die Dinge und macht blind für das, was möglicherweise nicht zum Feindbild passt ... Mir fällt es auch schwer, Udo in einem anderen Licht zu sehen, aber ... «
    »Hör mir auf mit diesem Quatsch! Udo hat noch nicht einmal den Versuch unternommen, sich zu entschuldigen. Und ich habe ihm mehr als eine Gelegenheit dazu gegeben, das kannst du mir glauben.«
    »Torsten ist Pastor geworden, Udo Lehrer. Hättest du das vor zwanzig Jahren für möglich gehalten?«
    Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Was willst du damit sagen?«
    Es war schwer, die richtigen Worte zu finden. »Manchmal habe ich mich gefragt, was wohl aus den  glorreichen Fünf  geworden ist. Dann habe ich sie mir in Jobs vorgestellt, in denen sie ihre miesen Eigenschaften voll zum Einsatz bringen können. Und diese Jobs bewegten sich ganz bestimmt nie dort, wo man versucht, auf positive Weise mit Menschen umzugehen - in der Schule oder in der Seelsorge. Eigentlich dachte ich, der eine oder andere von ihnen würde über kurz oder lang im Gefängnis landen.«
    »Womit du bei Hans auch ganz richtig liegst. Er saß wegen betrügerischen Bankrotts. Sein jetziges Restaurant läuft auf den Namen seiner Freundin. Und über Karen wird gemunkelt, dass sie es mit ihren Kassenabrechnungen nicht sehr genau nimmt.«
    »Warum warst du bei ihr?«
    »Ich war neugierig, ob es wenigstens bei ihr so etwas wie Bedauern, Scham oder auch Reue gibt. Ich hatte gehört, dass sie Humanmedizin studiert hat und als Ärztin praktiziert.« Sie schien sich über ihre eigene Naivität zu amüsieren. »Aber nicht jeder, der sich mit dem Wort  human  schmückt, ist es auch.«
    »Hätte es für dich etwas geändert, wenn sie ihre Schikanen bereut

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