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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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Hand heraus, und als ich wieder zu ihm blickte, musterte er gerade seinen eigenen Reif. Ich glaubte, in seinen Augen eine eigenartige Regung erkennen zu können: Er schien den Reif zu hassen. Und während ich ihn anschaute, merkte ich, dass meine Angst abnahm. Ich fürchtete mich nicht vor dem, was er war. Ich wünschte mir einfach nur, ihn sehen zu können.
    Ich setzte mich etwas anders hin und lockerte meinen Griff um den Reif. Sein Bild flimmerte. Ruckartig hob er den Kopf, und ich sah einen neuen, flehentlichen Ausdruck in seinem Gesicht. Er schüttelte den Kopf, und seine Lippen bewegten sich:
Nein! Bitte geh nicht weg!
Ich war nicht besonders gut darin, von den Lippen abzulesen, doch das war nicht schwer zu entziffern. Kaum hatte ich meine Finger wieder fester um den Reif geschlossen, festigte sein Spiegelbild sich wieder.
    Es schien, als wäre er genauso wild darauf, mich zu sehen, wie ich ihn – was ich mir kaum erklären konnte. Aber ich beschloss, das Beste daraus zu machen, schob mir den Reif wieder über den Arm und lächelte ihn schüchtern an.
    Sein ganzer Körper entspannte sich, seine Schultern senkten sich wieder, und ein strahlendes Lächeln erhellte sein Gesicht.
Danke,
formten seine Lippen, und sein schmelzender Blick suchte meinen. Ich war wie hypnotisiert und konnte nicht anders, als die Hand auszustrecken, um ihn zu berühren. Im Spiegel war er so deutlich zu erkennen, nur Zentimeter von meiner Schulter entfernt, sein Arm neben meinem auf dem Tisch, und ich konnte dabei zusehen, wie meine Hand durch seinen Arm hindurchglitt.
    »Was bist du?«, flüsterte ich.
    Er schien kurz nachzudenken, dann antwortete er. Ich konnte nichts von dem verstehen, was er mir zu sagen versuchte, und schüttelte den Kopf. Er fing langsam von vorne an, und ich war so konzentriert, dass mich das Läuten einer Glocke zusammenfahren ließ.
    Ich schaute mich um, hatte das Gefühl, gerade aus einem Traum aufgeschreckt worden zu sein. Mein Zimmer war immer noch da, immer noch ganz normal, doch auch mit etwas ganz und gar Wunderbarem ausgefüllt. Die Wirklichkeit schien völlig unwichtig. Die alte Schulglocke bedeutete, dass es Zeit war fürs Abendessen, doch ich hatte absolut keine Lust darauf. Wieder läutete die Glocke, und ich stöhnte. »Ich muss für einen Augenblick nach unten. Wartest du?« Es fiel mir nicht mal auf, wie bescheuert es war, zu einem Spiegelbild zu sprechen. Dann nickte er und lächelte.
    Ich warte.
Wenigstens das war einfach von den Lippen abzulesen.
    Ich lächelte, sprang auf und rannte nach unten, während sich in meinem Kopf die Gedanken überschlugen über das, was gerade passiert war.

4 Erwartungen
    Das Abendessen schien sich endlos hinzuziehen. Meine Eltern hatten für uns alle Curry bestellt. Das war mein Lieblingsessen, und deshalb war ich auch nicht schon früher nach unten gerufen worden, um beim Kochen zu helfen. Aber heute konnte ich es einfach nicht genießen. Ich schob das Essen auf meinem Teller herum, während ich überlegte, wie ich möglichst schnell wieder nach oben verschwinden konnte.
    Meine Eltern wollten unbedingt hören, wie meine letzte Prüfung gelaufen war. Grace und ich waren in der vergangenen Nacht so spät nach Hause gekommen, dass keine Gelegenheit zum Reden mehr gewesen war. Auch Josh hatte eine Prüfung gehabt, und so gab es eine lange Diskussion darüber, wie er seiner Einschätzung nach abgeschnitten hatte. Ich versuchte, nicht zu sehr herumzuzappeln. Ich hatte keine Ahnung, wie lange meine eigenartigen Erscheinungen anhalten würden, und ich wollte keine Minute mehr verpassen als sowieso schon.
    Schließlich schaffte es Josh mit der Ausrede, noch lernen zu müssen, vom Tisch wegzukommen. Von mir wussten meine Eltern ja, dass ich keine Hausaufgaben mehr hatte, und so konnte ich nicht so einfach verschwinden. Mum wollte alles über mein Kunstprojekt wissen, doch während ich ihr von meiner Arbeit erzählte, wollte ich nur eines: wieder in mein Zimmer gehen.
    Als ich mich gerade losgeeist hatte, klopfte es an der Haustür. »Gehst du hin, Alex?«, rief Mum. »Es ist eine Überraschung.« Was hatte sie denn jetzt schon wieder ausgeheckt? Ich öffnete die Tür, und davor stand eine Nachbarin mit ihrem kleinen Labradorwelpen. Meine Mutter wusste, dass ich den rasend gerne sehen wollte, und hatte das offenbar mir zuliebe vereinbart. Einen schlechteren Zeitpunkt konnte ich mir gar nicht vorstellen.
    Ich entschuldigte mich für einen Moment und rannte nach oben in mein

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