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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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Zimmer. Im Flur konnte ich Musik aus Joshs Zimmer hören. So arg schwer am Arbeiten war er wohl nicht. Hoffentlich war die Musik laut genug, dass er mich nicht hören konnte.
    Ich schlüpfte in mein Zimmer und setzte mich an den Tisch. Mit dem Blick auf den Spiegel gerichtet, schob ich mir den Reif über die Hand. Da war er, hinter mir, und lächelte erfreut. Dann wurde sein Ausdruck besorgt, als er meine Enttäuschung sah.
    »Ich kann nur einen Augenblick bleiben, ich muss wieder nach unten. Wir haben Besuch«, erklärte ich.
    Er sah aus, als überlegte er.
Morgen,
formte er dann mit den Lippen.
    »Nein!«, rief ich viel zu laut. »Ich bin in einer Stunde wieder da«, fügte ich flüsternd hinzu.
    Er schüttelte den Kopf und blickte auf seinen Armreif, als wäre der eine Uhr.
Morgen
.
    Die Musik in Joshs Zimmer hatte aufgehört, und ich konnte hören, wie er den Flur entlangkam und rief: »Alex, ist bei dir alles okay?«
    Das Gesicht im Spiegel lächelte mich noch einmal umwerfend an und war verschwunden, als Josh den Kopf durch die Tür steckte.
    »Was ist los, Kleine? Was schreist du so rum?«
    »Nichts!«, fauchte ich und drehte mich zu ihm um. »Lass mich bloß in Ruhe.« Mit einem verdutzten Blick zog er sich zurück. Ich setzte mich wieder vor dem Spiegel zurecht, doch er war fort. Ich war wieder allein.
    »Mist!«, murmelte ich. Dann konnte ich mir auch den Welpen ansehen gehen. Nach einem letzten Blick in den Spiegel knipste ich das Licht aus und ging runter.
    Rund eine Stunde später konnte ich endlich auf mein Zimmer gehen. Normalerweise ging ich nicht so früh ins Bett, aber nach den ganzen Prüfungen hatten meine Eltern Verständnis, als ich behauptete, ich sei schon müde. Sobald ich in meinem Zimmer war, verschloss ich sorgfältig die Tür und nahm meine Sitzung vor dem Spiegel wieder auf. Den Reif trug ich noch, und so rieb ich den Stein sanft, nur für den Fall, dass das einen Unterschied machen würde. Ein- oder zweimal glaubte ich, einen Schatten in der glitzernden Tiefe zu sehen, doch keine Gestalt erschien hinter mir. Dann hatte er also wirklich morgen gemeint.
    Ich nahm den Armreif ab. Er hatte ein paar dunkle Flecken auf meinem Handgelenk und am Bündchen meines Shirts hinterlassen. Da ich den Jungen heute Abend doch nicht mehr sehen würde, überlegte ich, konnte ich die Gelegenheit nutzen, das Schmuckstück gründlich zu reinigen.
    Alles Putzmaterial befand sich unter der Spüle. Ich wusste, dass dabei auch ein Silberreinigungsmittel war. Ich wühlte mich durch die verschiedenen Flaschen, die auf den Regalbrettern aufgereiht standen, bis ich schließlich ganz hinten eine kleine Dose sah – das war, was ich haben wollte. Ich kramte weiter, bis ich auch einen Lappen gefunden hatte, und räumte den Schrank wieder ein. Als ich fast fertig war, kam Mum rein.
    »Alex, was machst du denn hier unten? Ich dachte, du wärst schon ins Bett gegangen.«
    »Ich hab nach dem Silberputzmittel gesucht.« Ich hatte schnell entschieden, dass es nicht schaden würde, ihr die Wahrheit zu sagen. »Ich hab da ein paar Sachen, die sind angelaufen und machen mir die Klamotten schwarz.«
    »Warum hast du das nicht ein bisschen früher gesagt. Ich hab auch ein paar Sachen, die gereinigt werden müssten, und wenn du eh gerade dabei bi…« Sie brach ab. »Okay. Sieh aber zu, dass du keine zu große Schweinerei machst.«
    »Das geht schon klar, Mum«, versprach ich. »Ich hab noch ein paar alte Zeitungen in meinem Zimmer, die kann ich als Unterlage nehmen. Gute Nacht.«
    Mit leicht gerunzelter Stirn küsste sie mich, als hätte sie den Verdacht, dass da irgendwas nicht stimmte. »Gute Nacht, Liebes, bis morgen. Mach nicht mehr so lange.«
    Zurück in meinem Zimmer, breitete ich eine alte Zeitung über meinem Tisch aus und studierte die Gebrauchsanweisung des Putzmittels. Es schien gar nicht so schwierig zu sein. Die Dose war voll mit einer Art Watte, die mit dem Reinigungszeug getränkt war, man musste bloß einen kleinen Klumpen rausholen und damit den Armreif polieren. Die Watte wurde schnell schwarz und legte immer mehr von der schimmernden Silberfarbe frei. Ich arbeitete sorgfältig und achtete darauf, auch in alle Kerben zu kommen. Zum Schluss nahm ich den Lappen und rieb die Überreste des Reinigungszeugs weg. Das Silber glänzte matt im Schein der Tischlampe, und endlich kam seine Pracht zur Geltung. Der Armreif hatte die Form eines Cs und legte sich perfekt um mein Handgelenk, ohne dass ein Verschluss gebraucht

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