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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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war geradezu zu spüren, wie er dort auf mich wartete. Aber so verrückt es auch war, irgendwie empfand ich das nicht als besonders erschreckend. Gruselig schon, aber nur, weil es so unerklärlich war. Ich wusste nicht, warum es gefährlich sein sollte, und je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich eher nur aufgeregt war als sonst irgendwas, und ich konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Fast schaffte ich es, mir selbst vorzumachen, dass ich nur etwas ausprobieren wollte, und ihn wiederzusehen keineswegs mein Hauptanliegen war.
    Grace war im Bus, aber ich hatte keine Lust, darüber zu reden, was in London passiert war oder wie wir mit Rob und Jack weitermachen sollten. Ich wusste genau, wenn sie anfing, mich danach zu fragen, was ich in St. Paul’s gesehen hatte, könnte ich nicht überzeugend lügen, und jetzt war ich noch nicht so weit, es ihr zu erzählen. Ich wollte nachdenken. Mein Kopf platzte geradezu vor Ideen, was ich tun sollte, und jede einzelne wollte gut überlegt sein.
    »Mir geht’s nicht so gut«, erklärte ich leise. »Mir ist ein bisschen schlecht. Vielleicht hab ich vorhin was Blödes gegessen …«
    Grace sah mich besorgt an, verstand aber den Wink und ließ mich in Ruhe. Ich schaffte es, das Durcheinander auszublenden und mich zu konzentrieren. Für mich gab es drei mehr oder weniger mögliche Erklärungen. Das Ganze könnte ein Trick von Josh sein, doch das war auszuschließen, so dass ich nicht weiter darüber nachdenken musste. Es konnte irgendeine Art von Projektion sein, die von dem Armreif ausging. Oder ich wurde tatsächlich verrückt. Im besten Fall wäre der Junge also eine Projektion, aber ich bekam immer mehr Angst, dass ich dabei war, den Verstand zu verlieren.
    Als Josh und ich endlich nach Hause kamen, waren unsere Eltern nicht da. Ich musste sicher sein, dass er mich nicht stören würde, und so war ich sehr erleichtert, als ich sah, wie er sich aus dem Kühlschrank massenhaft zu futtern holte. Damit würde er eine Weile beschäftigt sein, und ich rannte nach oben.
    Mein kleines Zimmer war nach der letzten Nacht mit Grace total durcheinander. Ich schob den ganzen Kram auf meinem Tisch zur Seite, damit ich genügend Platz hatte. Ich konnte hören, wie Josh unten in der Küche fernsah, also würde er mich nicht stören. Sorgfältig schloss ich die Zimmertür und wandte mich mit klopfendem Herzen wieder meinem Schreibtisch zu.
    Da stand mein Rucksack mit seinem Geheimnis, das auf mich wartete. Was würde ich alles brauchen? Meine Tischlampe war hell genug, aber mein Laptop war nicht so geeignet. Deshalb nahm ich meinen Spiegel von der Wand und stellte ihn so auf, dass er vor mir stand. Dann nahm ich mein Handy und gab Joshs Nummer ein. Wenn ich Hilfe brauchte, war meine Überlegung, musste ich nur den grünen Knopf drücken.
    Ich war schrecklich aufgeregt, als ich nach meinem Rucksack griff, den Armreif herausfischte und ihn vorsichtig auf den Tisch legte. Er glitzerte im Schein der Lampe, und mein Herzklopfen steigerte sich. Plötzlich wurde mir klar, dass ich so aufgeregt war, weil ich gleich wieder sein Gesicht sehen würde. Was für Folgen das auch haben mochte, ich wollte ihn richtig anschauen. Ich wollte ihn wieder lächeln sehen. Zögernd griff ich nach dem Reif.
    Kaum, dass ich das Silber angefasst hatte, tauchte sein Gesicht im Spiegel auf. Er erschien hinter meiner rechten Schulter und sah aus, als wollte er mir etwas ins Ohr flüstern. Mein Herz schlug noch höher bei dem Gedanken. Seine Augen, die so blau waren, dass sie eigentlich kalt und bedrohlich wirken müssten, blickten unglaublich freundlich. Der Spiegel zeigte sein Bild viel klarer als der Bildschirm in der Bibliothek. Ich konnte sein perfektes Kinn sehen, das Schimmern seiner Haare und den sanften Schwung seiner Lippen, als er lächelte.
    In der einen Hand den Armreif und in der anderen das anrufbereite Handy blickte ich hinter mich. Nichts. Er war immer nur im Spiegel zu sehen.
    Ich hatte nicht den Schimmer einer Ahnung, wie das überhaupt sein konnte: Die Gesetze der Physik ließen das einfach nicht zu. Aber da war er, lächelte leicht, fast so, als könnte er die Gedanken lesen, die mir durch den Kopf gingen.
    Als ob er meine Gedanken lesen könnte …
    Ich ließ den Reif fallen, als hätte ich einen elektrischen Schlag bekommen, und sofort war sein Gesicht verschwunden. Konnte er in meinen Kopf schauen? Ich wurde ganz rot, als mir klarwurde, was das hieß. Was genau hatte ich

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