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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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eigentlich gedacht?
    Ich holte tief Luft. »Hör auf damit«, sagte ich mir streng, »das ist doch Quatsch!« Und überhaupt, was machte es schon aus, wenn irgend so eine komische Spiegelung meine Gedanken lesen konnte? Er war nicht real. Ich blickte auf den Armreif. Ich musste dahinterkommen, was hier lief. Ich war mir inzwischen sicher, dass Josh nicht verantwortlich war, also standen nur noch Projektion und Wahnsinn zur Wahl. Ich betrachtete den Schmuckstein von allen Seiten. Es gab absolut keine Möglichkeit, dass er irgendwie Energie erzeugen konnte. Und es gab auch keinen Platz für eine noch so kleine Batterie, so dass es unwahrscheinlich war, dass der Armreif das Bild projizieren konnte. Doch das ließ sich ja überprüfen. Ich durchwühlte den Haufen Gerümpel in der Ecke meines Zimmers und fand eine alte Blechsparbüchse. Ich leerte sie aus und stellte sie dann auf den Tisch.
    Dann setzte ich mich wieder hin und drehte die Büchse so, dass der Deckel von mir weg zeigte. Ganz vorsichtig hob ich den Reif mit dem Kuli auf und legte ihn in die Büchse. Ich schloss die Augen kurz, als ich spürte, wie mir ein Schweißtropfen über den Rücken rann. Das hier war schlimmer als jede Prüfung. Ganz langsam langte ich um den halbgeschlossenen Deckel herum und berührte den Armreif.
    Sofort war sein Gesicht wieder hinter mir. Also keine Projektion. Ich bemerkte, dass er ziemlich bekümmert aussah. Der Gedanke, ich hätte ihn irgendwie verletzt, gab mir einen Stich. Doch plötzlich schien er zu merken, dass ich ihn wieder sehen konnte, und ein breites erleichtertes Lächeln trat auf sein Gesicht. Ich konnte ihn nur anstaunen – er war so wunderschön. Jedes Mal, wenn ich ihn anblickte, schien er noch hübscher zu sein als zuvor. Seine hohen Backenknochen gaben ihm etwas Aristokratisches, und seine Lippen … Ich seufzte innerlich, während ich seine Lippen betrachtete. Sein Mund wirkte so stark und gleichzeitig auch so unendlich sanft.
    Zum ersten Mal nahm ich auch den Rest seiner Erscheinung richtig wahr. Er trug so ein loses weißes Baumwollhemd, das nicht ganz zugeknöpft war und seinen Hals und etwas von seiner Brust sehen ließ, und einen schweren schwarzen Umhang, der mit einer dicken Kordel am Hals zusammengehalten wurde. Da er die Kapuze zurückgestreift hatte, konnte ich sehen, wie kräftig seine Schultern waren. Wenn er wirklich nur ein Hirngespinst von mir war, dann hatte ich verdammt gute Arbeit geleistet.
    Er sah immer noch lächelnd zu, wie ich meine Begutachtung abschloss, dann hob er die Augenbrauen wie zu einer Frage. Ich musste einfach zurücklächeln und wurde rot.
    Nun hatte ich also alle Möglichkeiten außer der erschreckendsten ausgeschlossen: Ich hatte den Verstand verloren. Doch je länger ich ihn ansah, desto weniger wahrscheinlich schien mir auch dies.
    Vielleicht gab es noch eine weitere Möglichkeit. Ich hatte nie an Geister geglaubt, und wenn ich darüber nachdachte, wurde mir bewusst, dass ich an überhaupt nichts Irrationales glaubte, an gar nichts, das nicht überprüft werden konnte. Aber das hier hatte ich überprüft, und es hatte sich herausgestellt, dass da tatsächlich etwas – jemand – war, denn er reagierte auf mich. Ich konnte das alles nur nicht mit einer Regel, die ich kannte oder verstand, erklären. Ich spürte einen neuen Angstschauder. Vielleicht war er ein Geist, oder er kam aus einer anderen Dimension oder sogar von einem anderen Planeten. Plötzlich wurden all diese lächerlichen Erklärungen zu echten Möglichkeiten.
    Die Angst kroch mir in den Magen, und mir wurde leicht übel. Wie sollte man denn mit so etwas klarkommen?
    Mein Gesichtsausdruck musste einigermaßen vielsagend gewesen sein, denn seine Miene war ebenfalls von amüsiert zu betroffen gewechselt. Wer auch immer er war, zumindest zeigte er Einfühlungsvermögen und Mitgefühl. Ich musste ein paarmal flach atmen, dann war die Übelkeit vergangen. Ich hatte so viele Fragen. Doch womit sollte ich anfangen? Ich beschloss, mit dem Gedankenlesen zu beginnen.
    Ich setzt mich kerzengerade hin, schaute ihm in die Augen und dachte: WER BIST DU ? Er verzog keine Miene. Ich versuchte es noch einmal. WAS WILLST DU ? Wieder keine Reaktion.
    Also, das war zwar nicht so ganz wissenschaftlich, dachte ich, aber es musste reichen. Er konnte keine Gedanken lesen.
    Als sich mein Arm verkrampfte, wurde mir bewusst, dass ich den Reif noch immer in der Büchse umklammert hielt. Ich kam mir ein bisschen blöd vor, zog die

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