Nur ein Hauch von dir
darüber reden oder lieber nicht?«
»Lieber nicht.« Ich versuchte zu lächeln und schaffte es auch fast. »Was gibt’s zum Abendessen?« Ich bemühte mich, interessiert zu klingen, obwohl ich genau wusste, dass ich nichts runterbringen würde.
»Ich wollte uns irgendetwas kochen«, meinte sie, »aber wenn du lieber was Einfacheres haben möchtest …«
Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu. »Das wäre vielleicht besser. Am liebsten würde ich mir ein Sandwich machen und ein Bad nehmen.«
»Wie du willst, mein Schatz.« Sie lächelte lieb und gab mir einen Kuss.
Irgendwie beschäftigte ich mich ein paar Stunden, bis es allmählich Zeit war, ins Bett zu gehen, und wurde immer unruhiger. Ich spürte den Kummer auf mich warten, der drauf und dran war, mich wieder zu verschlingen. Ich brauchte etwas, das mich nicht an ihn erinnern würde. Mein Blick fiel auf das Bücherregal, ich suchte es ab und verwarf einen Titel nach dem anderen. Zu viel Liebe.
Das große Bücherregal im Wohnzimmer ächzte unter den Mengen von Büchern. Meine Mutter lehnte es aus Prinzip ab, Bücher wegzuwerfen, und so gab es dort Lesestoff für Jahre. Doch ich wollte mich auf nichts einlassen, das ich nicht kannte, und die Gewalt in all den Krimis wollte ich nicht. Schließlich entdeckte ich genau das, wonach ich gesucht hatte: die Harry-Potter-Bücher. In den ersten Bänden gab es keine Spur von Liebe, und die Geschichten waren selbst beim zweiten Lesen fesselnd genug, um mich bei der Stange zu halten.
Ich nahm mir den ersten Band, legte mich damit ins Bett und hoffte, dass ich müde genug war, um darüber einzuschlafen, obwohl es draußen noch gar nicht richtig dunkel war.
Doch schon nach wenigen Seiten fingen meine Gedanken wieder an zu wandern. Mir fielen Callums Gesicht ein und seine letzten verzweifelten Worte. Die Traurigkeit erkannte ihre Chance und sprang mich an.
Mein Herz fühlte sich an, als wäre es zerbrochen, als könnte es niemals wieder normal schlagen. Der Schmerz war in seiner Heftigkeit körperlich spürbar, und ich krümmte mich in meinem Bett zusammen, doch das half nicht. Die Tränen kämpften sich nach oben, liefen mir kurz darauf in Strömen über das Gesicht, bis mein Kissen völlig durchnässt war. Wenn ich die Augen schloss, sah ich Callums Gesicht vor mir, sein schönes Lächeln und die schönen Augen. Ich sah ihn, wie er mit zurückgelegtem Kopf lachte und seine Arme um mich gelegt hatte. Und ich konnte seine Berührung spüren, so sanft wie eine Feder, wenn er kaum spürbar über meine Arme strich oder mit den Lippen sanft über meinen Hals glitt.
Und alles das war Lüge, ermahnte ich mich selbst schroff, und sofort stieg das Schluchzen wieder in mir auf. Ich presste mein Gesicht in das Kissen, um das Geräusch zu dämpfen.
Während die Nacht sich hinzog, ging ich jedes einzelne Gespräch mit Callum noch ein weiteres Mal durch und suchte nach Hinweisen. Wenn ich mich an eine von seinen ausweichenden Äußerungen erinnerte, stach das Messer in meinem Herz wieder zu. Ich war auf ihn hereingefallen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich, dass Catherine recht hatte.
Noch etwas anderes machte mir zu schaffen. Es war irgendetwas, das Catherine noch gesagt hatte, doch so erschöpft wie ich war, kam ich nicht darauf.
Erst als die Morgendämmerung anbrach und das frühe Licht durch meine Vorhänge sickerte, schlief ich endlich ein.
14 Entschluss
Ich schlief nicht lang, und als ich aufwachte, war eine Decke aus Traurigkeit fest um mich gewickelt. Mein Herz war vollkommen leer.
Ich verbrachte den Vormittag in der Schule wie von dichtem Nebel umgeben. Ich hatte große Mühe, halbwegs etwas mitzubekommen. Grace machte sich sichtlich Sorgen um mich, aber ich konnte ihr ja nichts erzählen, und so hörte sie schließlich auf zu fragen. In der Mittagspause machte ich einen langen Spaziergang bis zum Park. Der Bach, der den Park durchquerte, war ein beliebter Nistplatz für Enten, und als Kind war ich in dieser Jahreszeit oft hergekommen, um zuzusehen, wie die Entenküken ihren Eltern durch die Wasserkräuter nachzockelten.
Heute hatte sich hier ein Schwanenpaar niedergelassen und bewachte seine Jungen. Es waren sechs wunderschöne kleine junge Schwäne – flauschige graue Bällchen –, die sofort auf den Rücken ihrer Mutter unter den Schutz der mächtigen Flügel krabbelten, als sie mich sahen. Sie wuselten derart durcheinander, dass ich sie kaum zählen konnte, und das sah so komisch aus,
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