Nur ein Hauch von dir
meine Erinnerung restlos und für immer zu verlieren. Mein Blick fiel auf den Laptop vor mir, und plötzlich gingen meine Gedanken ein paar Schritte weiter.
Ich konnte doch meine Erinnerungen schriftlich festhalten und auf einem Memorystick speichern. Wenn ich die mit einem Passwort sicherte und irgendwo sicher verstaute, könnte ich sie jederzeit aktivieren, wenn ich es wollte. Ich könnte die Kamera in meinem Laptop benutzen und einfach alles erzählen. Das würde nicht so lang dauern, und es würde wenigstens etwas von uns übrigbleiben. Callum wäre nicht völlig weg.
Zufrieden lehnte ich mich zurück. Das war eine gute Lösung, ich brauchte dazu nur etwas Zeit. Wenn ich dann Catherine bat, mir die Erinnerungen erst am nächsten Morgen zu nehmen, würde ich das Wichtigste abspeichern können. Ich wusste nicht, ob das funktionieren würde, doch ich musste es einfach versuchen. Ich wollte einfach, dass es vorbei wäre. Ich fischte das Amulett vorsichtig aus meinem Rucksack und legte es auf den Tisch, immer in der Angst, Callum könnte erscheinen. Ich berührte den Reif kurz, rief Catherine und wartete. Nichts. Doch als ich das Amulett überstreifte, stand sie sofort hinter mir. Sie warf die langen goldenen Haare zurück und lächelte.
»Hast du dich entschieden?«, fragte sie.
»Fast. Ich hätte nur noch gerne ein paar Informationen. Wie funktioniert das alles? Was muss ich machen? Wie lange wird es dauern? Solche Fragen eben. Ist das okay für dich?«
Catherine seufzte, und ich meinte, Ungeduld zu spüren, doch dann lächelte sie wieder. »Natürlich. Ich erkläre dir alles. Du musst das Amulett bei dir haben, darfst es aber nicht berühren. Das ist sehr wichtig, denn wenn du es trägst, kann ich dir nicht helfen.«
»Okay, das ist kein Problem. Und dann?«
»Alles, was du tun musst, ist, dich zu entspannen und an Callum zu denken.« Ich hatte den Eindruck, dass sie seinen Namen nur widerwillig aussprach. »Ich fange dann an, deine Gedanken zu sammeln. Und sobald du einen davon gedacht hast, ist er für immer verschwunden.«
»Ist das gefährlich?«, flüsterte ich.
Catherine sah mir direkt in die Augen. »Ja, es besteht immer auch ein gewisses Risiko. Aber ich weiß, was ich tue, und ich kenne dich. Du willst es. Wir wissen …« sie unterbrach sich und fuhr dann leise fort: »… aus Erfahrung, dass der Versuch, jemandem viele wichtige Erinnerungen zu nehmen … schmerzhaft sein kann und den Menschen, äh, irgendwie ein wenig … ärmer zurücklässt, als er vorher war.«
Das musste ich genauer wissen. »Was bedeutet das?«, fragte ich und hörte, wie meine Stimme zitterte.
Sie sah an mir vorbei, als sie leise sagte: »Wenn wir versuchen, mehr als eine Erinnerung auf einmal zu nehmen, und wenn der betreffende Mensch Widerstand leistet – also versucht, seine Erinnerungen zu behalten –, dann kann es passieren, dass er als leere Hülle zurückbleibt, kaum noch lebendig. Ein Mensch zwar, aber leer.« Sie sah mich kurz an und sprach dann weiter. »Aber ich nehme dir nur die Erinnerungen an Callum, sonst nichts, und du gibst deine Erinnerungen ja freiwillig.«
Ich hatte Mühe, ruhig zu bleiben. »Leer?«, fragte ich.
Catherine zuckte mit den Schultern. »Das passiert ja nur, wenn ich zu viele Erinnerungen nehme … und wenn du gegen mich ankämpfst. Solange du dir sicher bist, dass du die Erinnerungen an Callums Verrat wirklich loswerden willst, kann dir nichts passieren.«
Ich verspürte einen Stich im Herz und wusste, dass sie recht hatte. Ich musste ihr vertrauen und das Risiko auf mich nehmen. Ich konnte es nicht länger ertragen, so unglücklich zu sein. »Was ist mit den letzten Tagen, als ich so unglücklich war? Kannst du diese Erinnerungen auch nehmen?«
»Grundsätzlich sammele ich keinen Kummer, aber in deinem Fall muss ich es wohl tun, wenn es für dich funktionieren soll. Das macht es nicht besonders angenehm, doch es ist die einzige Möglichkeit.«
»Ich bin dir wirklich dankbar für das, was du für mich tust, Catherine, wirklich.« Ich fühlte mich schuldig, weil ich an ihr gezweifelt hatte. »Und wie lange wird das Ganze dauern?«
»Ach, nur ein paar Minuten. Du musst an Callum denken, und dann kommt mein Einsatz. Danach sind alle deine Erinnerungen an ihn weg, und du wirst dich fragen, was du da eigentlich an deinem Schreibtisch machst.«
»Nein! Ich bin noch nicht so weit!« Fast wäre ich aufgesprungen in meiner Angst, dass sie einfach damit anfangen würde, noch ehe
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