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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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Ich gab mir Mühe, sie nicht anzufauchen, nur weil ich das Gespräch möglichst schnell wieder beenden wollte. Ich hatte keine Ahnung, ob Callum uns hören konnte oder in der Nähe war, und ich konnte es nicht ertragen, daran zu denken.
    »Jeden Tag«, erklärte sie, »ziehe ich los und nehme mir ein paar Erinnerungen von fremden Leuten. Was immer sie in diesem Moment denken, ich komme vorbei, und – puff – ist es weg.« Catherine holte Luft. »Alex, ich kann dir alle Erinnerungen an Callum nehmen. Es wird sein, als hätte es ihn nie gegeben.«
    Ein kalter Schauder überlief mich. Wäre das denn besser? Callum vollkommen zu vergessen? Wieder zu dem Mädchen zu werden, das ich war, bevor ich das Amulett gefunden hatte? Gestern hatte ich mir das noch gewünscht, doch ich hatte nicht gedacht, dass es tatsächlich möglich sei. Wollte ich das wirklich? Ich würde keinerlei Erinnerung mehr an Callum haben, kein Bild mehr von seinem Gesicht, nichts mehr wissen von seiner Berührung, von seinem Lachen, seinem Lächeln … Andererseits war der Schmerz der Erinnerung ebenso schwer zu ertragen. Ich konnte diese Entscheidung nicht fällen, nicht so schnell. »Ich brauche etwas Zeit«, sagte ich zu Catherine. »Kann ich dich später wieder rufen, wenn ich mich entschieden habe?«
    »Ich verstehe nicht, warum das so schwer ist. Dein ganzer Kummer wäre im Nu verflogen. Ist das denn nicht das, was du willst?«
    »Ich kann nicht jetzt auf der Stelle entscheiden. Ich muss nachdenken, und vor allem musst du mir sagen, wie das funktionieren soll. Ich muss mich darauf vorbereiten.«
    »Gut. Ruf mich später wieder, doch vergiss nicht, je länger du deine Entscheidung hinausschiebst, desto mehr Erinnerungen wird es dich kosten, deshalb solltest du deine Entscheidung nicht zu lange hinauszögern.«
    Dann war sie weg. Ich nahm die Kopfhörer aus den Ohren und ließ mich in den Knautschsack zurücksinken. Um mich herum lasen die Mädchen weiter in ihren Zeitschriften, sie arbeiteten oder unterhielten sich. Ich könnte wieder eine von ihnen sein, wenn ich Catherines Angebot annahm. Es war so verlockend. Aber alles vollkommen zu vergessen – zu vergessen, was es für ein Gefühl war, zu lieben, nichts mehr von dieser Freude zu wissen, als er mir gestand, dass er mich auch liebte –, konnte ich mich überwinden, all das zu verlieren?
    Doch … was stimmte schon davon? Alles, was Callum zu mir gesagt hatte, jedes Mal, wenn er mir seine Liebe beteuert hatte, es waren nur Lügen gewesen. Und wozu in aller Welt sollte man sich an Lügen erinnern?
    Eine Stunde lang saß ich da und rang mit mir selbst. Jedes Mal, wenn ich dachte, ich hätte meine Antwort, geriet ich wieder ins Schwanken. Ab und zu kugelte ich mich auf dem Sitzsack zusammen. Mein erschöpfter Kopf wurde mit alldem nicht mehr fertig. Es war alles zu schwierig, und ich wünschte, dass einfach nur alles vorbei wäre.
    Ich riss die Augen auf. Da war sie doch, die Antwort: Ich wollte, dass alles vorbei wäre, und ich konnte es vorbei sein lassen. Ich musste bloß Catherine rufen. Ich spürte, wie mich ein seltsamer Friede überkam, als ich die Augen wieder schloss und eindöste.
    Als es Zeit war, nach Hause zu gehen, holten mich meine Freundinnen ab. Ich tat weiter so, als hätte ich Migräne, doch ich wollte Grace nicht länger beschwindeln. Sie war so lieb, bot mir Kopfschmerztabletten und Kräutertee an, aber ich lehnte alles behutsam ab. Morgen ist alles wieder ganz normal, dachte ich. Plötzlich war ich sehr froh darüber, dass ich niemandem von Callum erzählt hatte, besonders Grace nicht, denn das hätte Catherines Plan sehr viel komplizierter gemacht. Ich könnte vielleicht damit umgehen, wenn sie mir alle Gedanken an Callum auslöschte, aber dafür, dass Grace irgendwelche Erinnerung verlor, wollte ich nicht verantwortlich sein.
    Als ich nach Hause kam, war niemand da, also ging ich in mein Zimmer, um meine Vereinbarung mit Catherine zu treffen. Irgendwie hatte ich immer noch Bedenken. Ich wusste nicht so genau, welche Motive sie eigentlich hatte, und ich wollte ihr in die Augen blicken können, wenn sie ihren Plan erklärte.
    Nur widerstrebend setzte ich mich an meinen Schreibtisch. Erinnerungen daran, wie ich hier gesessen und mit Callum gesprochen hatte, flackerten mir durch den Kopf. Bei dem Gedanken, das alles zu verlieren, fühlte ich mich leer und verlassen, doch ich wusste, dass ich loslassen musste. Ich wünschte, ich müsste mich nicht darauf einlassen,

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