Nur ein Jahr, Jessica!
Kaffee, der eene Hebamme bei eene Drillingsjeburt wachhalten könnte!“
Ich überließ es Frau Brösen, die Menge zu bestimmen. Und die Brühe, die dann herauskam, hätte meiner Ansicht nach für Vierlinge ausgereicht.
Als Frau Brösen zwei Tassen von dem Gift hinuntergekippt und drei Brötchen mit Genuß verspeist hatte, stand sie auf und ging zum Kühlschrank.
„Brauchen Sie was, Frau Brösen?“ fragte ich dienstbeflissen.
„Iwo, von wejen brauchen! Nee, ick kieke nur nach Resten. Die nehm ick immer mit, hier kommen se doch um. Na, heut ist ja Ebbe, ick merke schon, daß eene Köchin im Haus ist. Sie haben wohl bei Muttan jelernt, daß nichts umkommen darf?“
„Ja, das habe ich!“ Ich mußte lächeln. „Aber da ist noch ein Rest vom Brathuhn…“
„Mensch, schon wieder Brathuhn! Der arme Direktor, der kriegt viermal in der Woche Brathuhn, aber fertig gekauftes! Kein böses Wort über die Backhendl, die sind gut, aber wenn so ein gebratenes Viech vier Stunden in der Einkaufstasche liegt, während die Gnädige konditorn geht oder zu de Manikürtante, dann wird es nicht gerade besser! Hören Se auf mir, was Se auch dem Direktor vorsetzen, verschonen Se ihn mit Brathuhn!“
„Ach, ich wollte den Rest ja eigentlich durchdrehen, aber hier ist ja kein Fleischwolf im Haus!“
„Wat? Keen Fleeschwolf?“ In ihrem Eifer vergaß sie ihren löblichen Versuch, Hochdeutsch zu sprechen, und fiel auf ihr köstliches Berlinerisch zurück. Sie wischte die Brötchenkrümel und den braunen Hebammen-Kaffeeschatten vom Mund und stand auf. „Kommen Se mit, Frollein Jessica, ick kann Ihnen een blauet Wunder vasprechen!“
Sie lief vor mir die Kellertreppe runter und in den leeren Vorratsraum. Da bückte sie sich und zerrte einen großen, schweren Karton aus einer Ecke heraus.
„Hier, bedienen Se sich! Küchenmaschine mit Rührwerk und Mixbecher und Jemüseschneider und Zentrifuge und Fleeschwolf! Neu von de Fabrik, nie jebraucht! Sechshundert scheene Deutsche Mark in einem Karton im Keller!“
Ich blieb mit offenem Munde stehen. „Jetzt begreife ich überhaupt nichts mehr!“ hauchte ich zuletzt.
„Das wird Ihnen in diesem Haus öfter passieren. Besser, daß Sie sich gleich daran gewöhnen“, sagte Frau Brösen im gepflegtesten Hochdeutsch.
Briefeschreiben
Mein lieber, lieber Falko!
Es ist Sonntag, und ich habe Ausgang! Was in diesem Falle bedeutet, daß ich seelenruhig in meinem Zimmer bleibe und endlich all die Briefe schreiben kann, worauf mein ganzer Freundeskreis sehnlichst wartet. Bezweifelst Du, daß dieser der erste ist?
Also, in meinem kurzen Gekritzel von vorgestern habe ich Dich wohl einigermaßen orientiert über meine merkwürdige Gnädige und diese äußerst seltsame Anstellung. Du sagtest doch einmal, daß Du eigentlich gern Psychiater werden möchtest? Ich rate Dir ab! Wenn Du ein paar solche Fälle wie meine Gnädige bekämst, dann würdest Du selbst in der Klapsmühle landen. Vielleicht werde ich Deine erste Patientin, denn wer weiß, in welcher Verfassung ich sein werde, wenn ich Dich wiedertreffe.
Also, der Herr des Hauses ist freundlich, wortkarg, und von seinem Geschäft sehr in Anspruch genommen. Seine Frau ist auch freundlich, aber damit hört die Ähnlichkeit auch auf. Ihr Redefluß strömt wie der Niagara, und sie beherrscht zur Vollkommenheit die Kunst, andauernd etwas zu sagen, ohne einem einzigen Gedanken Ausdruck zu geben. Muß man sie etwas fragen, hat man wie ein Schießhund auf eine Atempause von ihr zu warten, um seine Frage abfeuern zu können. Was durchaus nicht bedeutet, daß man immer eine verständliche Antwort erhält! Ach, wenn ich bloß eine Tonbandaufnahme von so einem Gespräch hätte! Man könnte sich totlachen. Etwa so: „Und dann habe ich gedacht, man müßte auch Zephyrlilien in den Garten pflanzen können, wissen Sie, vor dem Eßzimmerfenster, ach ja, richtig, da müssen die Haken befestigt werden, ich sollte ja den Tischler anrufen, wie heißt er nun gleich, ja, richtig, Wegner heißt er, ich verwechsle immer mit Wagner, aber das war ein anderer, einer den wir im Tessin trafen, kennen Sie das Tessin, Jessica, da sprechen sie Italienisch, das ist nicht zu verstehen, beinahe wie Französisch, einmal hatten wir hier einen französischen Gast, und seine Frau hatte grüne Augenschatten, finden Sie das hübsch, und dann versilberte Nägel, ich ziehe rosa vor. Ob wohl mein rosa Kleid gewaschen werden kann, vielleicht gebe ich es lieber in die
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