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Nur ein Jahr, Jessica!

Nur ein Jahr, Jessica!

Titel: Nur ein Jahr, Jessica! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Ausstellungsstücke auf einer Möbelmesse. Alles wirkte neu, ja, beinahe ungebraucht. Das Haus hatte keine Atmosphäre. Man fühlte sich nicht wie bei uns zu Hause oder bei Frau Ingwart oder bei Tante Christiane, wo die Wände sozusagen Wärme und Leben ausstrahlten.
    Aber ordentlich und praktisch sah alles aus.
    Als ich mich im Keller umsah, war ich hell begeistert. Ein großer, herrlicher Raum stand zur Wäschepflege zur Verfügung: eine vollautomatische Waschmaschine, ein elektrischer Wäschetrockner, ein Heimbügler und ein sehr praktischer Tisch fürs Handplätten. Auch hier sah alles wie in einer Ausstellung aus. Es fehlte nur noch ein Plakat mit der Aufschrift: „Alles für die Wäsche, 3500 DM.“
    Dann entdeckte ich einen Raum mit breiten, praktischen Borden für Eingemachtes und Vorräte. Aber sie waren leer. An der einen Wand stand eine Tiefkühltruhe. Ohne Anschluß stand sie unbenutzt, neu und tot da.
    Ja, gerade tot! Alles wirkte tot!
    Na, das sollte anders werden! Wenn das Obst erst im Garten reif wurde, dann konnte ich dafür sorgen, daß Marmeladentöpfe und Einmachgläser aufgereiht wurden und tiefgekühlte Erdbeeren sowie Fertiggerichte die Tiefkühltruhe füllten.
    „Ach, Sie haben schon abgewaschen!“ staunte Frau Frisch-Nielsen, als sie die Küche betrat.
    „Ich habe das Geschirr in den Geschirrspüler gestellt, gnädige Frau“, teilte ich ihr mit.
    „Ach so, Sie wollten den Geschirrspüler benutzen, ja, wenn Sie meinen – ich mag ihn nicht, da dauert ja das Abwaschen zu lange!“
    Ich dachte, ich hörte nicht richtig.
    „Aber, gnädige Frau, in der Zeit kann man ja alles mögliche erledigen – plätten oder einkochen oder im Garten arbeiten!“
    „Nein, es dauert mir zu lange“, wiederholte sie und betrachtete anscheinend das Thema Geschirrspüler als ausdebattiert.
    Sie konnte denken, was sie wollte – ich würde schon den Geschirrspüler benutzen! Gottlob, es war dasselbe Modell, das Tante Christiane hatte, damit kannte ich mich aus!
    Der Begriff Logik wurde bei meiner Gnädigen nicht besonders groß geschrieben, soviel war mir klar.
    Ich fragte, wann das Frühstück fertig sein sollte.
    „Ach, ich weiß nicht, mein Mann macht sich immer selbst etwas zurecht, ich stehe nicht so früh auf…“
    „Aber jetzt haben Sie eine Köchin, die gern früh aufsteht“, erklärte ich. „Wann fährt der Herr Direktor los?“
    „So gegen acht, glaube ich.“
    Also hatte ich den Frühstückstisch um halb acht am nächsten Tag gedeckt. Ich holte die Morgenzeitung aus dem Postschlitz und legte sie neben den Teller. Dann stellte ich Eierwasser und Kaffeewasser bereit. Und als ich Schritte auf der Treppe hörte, beeilte ich mich, den Kaffee aufzubrühen.
    Der Direktor erschien mit einem kurzen „Guten Morgen!“ in der Küche.
    „Hat meine Frau Ihnen denn nichts gesagt über das Frühstück?“
    „Nicht viel, Herr Direktor, aber der Tisch ist gedeckt. Wünschen Sie das Ei weich, oder…“
    „Ach so“, antwortete er nur, sah mich einen Augenblick an und fügte hinzu: „Vier Minuten bitte!“, und dann verschwand er im Eßzimmer. Ich servierte ihm Kaffee, Ei und Toast.
    „Ich weiß nicht, ob Sie lieber das Brot selbst am Tisch toasten, ich muß ja Ihre Gewohnheiten kennenlernen…“
    „Es ist schon gut so, Fräulein Jessica. Nett von Ihnen, daß Sie auch an die Zeitung gedacht haben. Übrigens, sind die Brötchen nicht da?“
    Niemand hatte mir etwas von Brötchen gesagt. Es zeigte sich, daß sie jeden Tag vom Bäcker gebracht wurden. Die Tüte lag vor der Tür. Vier Brötchen, zwei pro Nase, an meine Wenigkeit hatte die Gnädige anscheinend nicht gedacht.
    „Essen Sie ruhig zwei davon, Fräulein Jessica“, sagte der Direktor. „Sie haben reichlich Zeit, neue für meine Frau zu holen. Sie möchte gern gegen neun Uhr das Frühstück ins Schlafzimmer gebracht haben. Brötchen, Erdbeermarmelade, ein Joghurt – ja, und Kaffee.“
    „Wird gemacht, Herr Direktor!“
    Dann vertiefte er sich in seine Zeitung, und die Audienz war beendet.
    Ich fand ein überaus feines Serviertablett mit vier kurzen Beinen, so ein richtiges Bett-Tablett. Punkt neun klopfte ich an die Schlafzimmertür und brachte die frischen Brötchen, ein Sahnejoghurt aus dem Kühlschrank und die Marmelade, alles so hübsch angerichtet, wie ich es nur konnte.
    Mit Lockenwicklern, eingefettetem Gesicht und strahlendem Lächeln begrüßte die Gnädige mich mit dem Kaffeetablett.
    „Ach, das ist ja schön, und das Joghurt

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