Nur ein Jahr, Jessica!
haben Sie auch gefunden. Ja, ich esse sehr viel Joghurt, davon wird man schlank, wissen Sie?“
„Nun ja…“ Ich konnte mich nicht so unbedingt einverstanden erklären. „Ja, falls Sie Magerjoghurt essen anstatt des Brötchens und der Butter, dann wird es schon stimmen.“
„Ich esse lieber Sahnejoghurt“, erklang es aus dem nachtcremeglänzenden Gesicht. „Wenn ich mit dem Essen leichtsinnig gewesen bin, esse ich immer ein Joghurt hinterher als Gegengift sozusagen.“
Ich wollte etwas antworten, aber ich gab es auf. Meinetwegen konnte sie Sahne futtern, bis sie platzte. Das war nicht meine Sache!
Wenn ich jetzt an meine ersten Tage beim Ehepaar Frisch-Nielsen zurückdenke, kommt mir alles reichlich verwirrend vor. Wenn ich gerade mit einer Arbeit angefangen hatte, kam die goldblonde Dame des Hauses und bat mich, ich möchte etwas ganz anderes tun. Wenn ich gerade Kartoffeln schälte, kam sie mit ein paar angelaufenen Silberlöffeln an, die ich gleich putzen sollte. Wenn ich Fleisch für Gulasch aufschnitt, rief sie durch das ganze Haus, ich möchte dies oder jenes aus dem Keller holen. Hatte ich den Backofen angemacht und wollte meine schönen „Apfel in Schlafrock“ in den Blätterteig einwickeln und mit Mandeln bestreuen, dann mußte ich gleich, aber auch sofort eine Bluse plätten. Und so ging es unaufhörlich.
Es gab nicht mehr im Haus zu tun, als daß man es nicht spielend schaffen konnte, wenn man bloß nach Plan vorging. Aber das Wort „Plan“ stand wahrscheinlich nicht in Frau Frisch-Nielsens Wörterbuch.
Nach drei Tagen fühlte ich mich vollkommen zermürbt.
Dann war Freitag, und die Putzfrau kam, eine energische und recht muntere Berlinerin, so um die fünfzig. Sie reichte mir ihre feste, harte Arbeitshand, begrüßte mich mit den Worten: „Na, wieda ein neuet Jesichte!“, und schon hatte sie die Schürze umgebunden und holte sich Eimer und Lappen, Bohnerwachs, Besen und Staubsauger. Möbel wurden gerückt, Fenster aufgemacht, kurz, das große Freitagssaubermachen war im Gange.
Also konnte ich in meiner Küche bleiben. Ich hatte vor, einen Kuchen zum Kaffee zu backen. Ich brauchte Zeit, denn in diesem „vollautomatischen“ Haushalt hatte ich keinen elektrischen Handmixer entdeckt. Es entwischte mir deswegen ein Stoßseufzer, als Frau Brösen – die Putzfrau – gerade in die Küche kam, um heißes Wasser zu holen.
„Mixer? Klar ist hier ein Mixer! Kieken Se mal innen in den Schrank da, nee, janz oben, da wird er schon sein! Na, sehn Se!“
„Komisch, einen Mixer so unzugänglich aufzuheben“, meinte ich. „So ein Ding braucht man doch unaufhörlich!“
„Ja, Sie und ich wohl“, erklärte Frau Brösen und ließ das Wasser mit viel Getöse in den Eimer laufen. „Aber nicht die Jnädige. Sie backt einen Kuchen pro Jahr, das ist zum Geburtstag von Herrn Direktor – o je, nun wees ick, damals jing det Ding ja kaputt!“
Das stimmte. Ich machte ihn an, und die Quirle rührten sich nicht.
Dann fiel mir etwas ein, was mein allwissender Falko gesagt hatte, als ein elektrischer Ofen bei Frau Ingwart nicht warm wurde. „Versagt ein Elektrogerät, liegt es in neun von zehn Fällen am Stecker!“ Ich hatte neben ihm gestanden und zugesehen, wie er den Stecker aufmachte und die eine Kabelspitze festschraubte.
Mit Frau Brösens Hilfe fand ich einen Schraubenzieher und stellte fest, daß es sich hier um einen der neun Fälle handelte. Nach fünf Minuten lief der Mixer wunderbar und rührte Zucker und Butter schäumig.
Dann erschien die Gnädige. „Ach, ist der Mixer wieder in Ordnung? Das wußte ich ja nicht.“
„Es war eine Kleinigkeit, gnädige Frau“, erklärte ich artig. „Nur der Stecker. Das kommt leicht, wenn man beim Ausziehen an das Kabel faßt anstatt an den Stecker.“
„O ja, ich fasse immer an das Kabel“, sprach Frau Frisch-Nielsen fröhlich.
„Machen Sie es doch lieber so, dann vermeiden Sie das Malheur“, sagte ich und zog den Stecker aus der Dose.
„Nein, ich fasse an die Schnur“, antwortete meine Gnädige.
Es herrschte Ruhe im Haus. Die Gnädige befand sich beim Friseur. Möge er ihre Haare einzeln aufwickeln, dachte ich. Es war zu schön, wenn sie wegging.
Mein Kuchen stand im Ofen, ich hatte oben die Betten gemacht und das Badezimmer aufgewischt. Um zehn Uhr erschien Frau Brösen.
„So, Frollein Jessica, nun jibts det zweete Frühstück“, erklärte sie mir. „Hier sind die Brötchen, ja, die hole ick imma unterwegs, und nun machen Se einen
Weitere Kostenlose Bücher