Nur ein Jahr, Jessica!
war ein herrlicher heißer Sommertag. Alles wirkte schön und blitzblank, die nie benutzten Fondueservietten hatte ich gewaschen und durch die Heißmangel gedreht. Das Silber strahlte, alles schien bestens in Ordnung zu sein. Wenn nun Frau Frisch-Nielsen das Fleisch aus der Stadt mitbrachte, fehlte nichts mehr. Meine tiefgekühlten Soßen standen zum Auftauen in der Küche, alle Getränke im Kühlschrank, und im Tiefkühler stand eine Puddingform voll Eis in drei Etagen – Maroneneis, Erdbeer und Vanille. Das Rezept hatte ich von Renis Mutter! Wenn nun die Form gestürzt und das Loch in der Mitte mit frischen Erdbeeren gefüllt und das Ganze mit Schlagsahne verziert wurde, dann gab es einen Nachtisch, der sich sehen lassen konnte!
Der Direktor würde schon zufrieden sein und erleichtert, weil alles nur einen Bruchteil von dem kostete, was er sonst ausgegeben hätte. Die allwissende Frau Brösen hatte mir nämlich erzählt, daß sonst alles fix und fertig von einem Feinkostgeschäft geliefert wurde, sogar das Servierpersonal bei vielen Gästen.
Es wurden immer verschwenderische kalte Büfetts aufgebaut, Riesenplatten mit ausgesuchten Delikatessen, und es kostete ein Vermögen. Der eßfreudige Direktor freute sich bestimmt darauf, seinen Gästen etwas anderes vorsetzen zu können. Und dann so was Gemütliches wie ein Fondue mit der ganzen Stimmung, mit den Farben, dem bunten Tisch, kurz gesagt – endlich etwas Nettes und Persönliches!
Ich hatte den ganzen Vormittag eine herrliche Arbeitsruhe gehabt, die Gnädige war ja in der Stadt. Aber jetzt hörte ich sie kommen, mit der Taxe! Na, dann hatte der Direktor wohl noch im Geschäft zu tun und ich noch Zeit für ein schnelles und einfaches Mittagessen.
Dann stand sie in der Küchentür. „Gucken Sie, Jessica, was ich alles gekauft habe! Die Gläser sind echt Kristall – ach ja, und dann habe ich Lachs gekauft, er war ganz frisch. Wir warten mit dem Fondue, das können wir ein andermal essen, heute abend gibt es dann gekochten Lachs!“
Mir wurde schwarz vor den Augen.
„Lachs? Und der Fonduetisch? Und all die Soßen, die schon aufgetaut sind? Und das Öl, das ich schon in den Fonduetopf gegossen habe?“
„Ach, machen Sie doch kein Theater, das ist doch keine Kunst, den Tisch anders zu decken. Und ein bißchen Fisch zu kochen, das geht doch schnell…“
Jetzt kochte ich vor Wut. „Dann machen Sie es mir vor! Und was soll es zum Lachs geben? Haben Sie an Salat, Gurken oder Tomaten gedacht? Haben Sie genug Butter da, man braucht sehr viel dazu! Haben Sie Petersilie für die Butter? Haben Sie Zeit, all die Kartoffeln zu schälen? Und wer soll servieren, wenn ich am Herd stehen muß, um auf die zweite Portion Lachs aufzupassen? Haben Sie jemals in Ihrem Leben Lachs gekocht? Haben Sie jemals alles vorbereitet für eine Party? Wir können heute keinen Lachs essen! Wir brauchen vier Pfund erstklassiges Rinderfilet, und es ist Ihre Sache, es zu beschaffen – die Geschäfte machen in zwanzig Minuten zu!“
„Ach, warum machen Sie denn solche Schwierigkeiten!“
Ich unterbrach sie erbarmungslos. „Wer von uns macht Schwierigkeiten? Ich arbeite seit zwei Tagen intensiv an den Vorbereitungen für einen Fondueabend, und der Herr Direktor freut sich darauf, er wird enttäuscht sein…“
Das traf! Plötzlich hatte das hübsche, dumme Gesicht einen Ausdruck von kindlicher Hilflosigkeit. Und wenn ich ein hilfloses Wesen sehe, schmelze ich. Herrgott, sie war ja so unsagbar ungeschickt, so vollkommen weltfremd – diese Sache mußte ich in meine eigenen Hände nehmen.
Ich rannte zum Telefon und rief beim Direktor an. Seine Unentbehrliche, sie hieß übrigens Fräulein Clewe, kam an den Apparat. Der Direktor hatte eine Besprechung, sie dürfe nicht stören – ob sie mir behilflich sein könne?
In meiner Verzweiflung öffnete ich die Schleusen meiner Sorgen, und Fräulein Clewe kapierte sehr schnell.
„Gut, Fräulein Berner, ich hole es Ihnen, wir haben ein Schlachtergeschäft um die Ecke. Vier Pfund zartes Filet, jawohl. Ich rufe Sie nachher an.“
Ich sank zitternd in einen Sessel, verfluchte in meinem Inneren die Gnädige und segnete die unglaublich tüchtige und energische Sekretärin.
Die Gnädige war verschwunden. Aha, da sah ich sie im Garten. Sie holte Blumen für die Zimmer. So etwas konnte sie! Sie hatte bestimmt als junges Mädchen ihrem Vater in der Gärtnerei geholfen.
Aber warum sie in ihrem großen Garten keinen Quadratmeter für Petersilie,
Weitere Kostenlose Bücher