Nur ein Jahr, Jessica!
Schnittlauch und Salat eingerichtet hatte, das war mir ein Rätsel. Na, ihre Sache. Ihr Vater hatte wohl nur Blumen gezüchtet.
Ich saß da und wartete und wünschte, daß die Kochkunst einen Schutzheiligen hätte, zu dem ich beten könnte!
Aber ich hatte ja etwas Besseres als einen Schutzheiligen, nämlich Fräulein Clewe!
Ungefähr nach einer Viertelstunde rief sie an.
„In Ordnung, Fräulein Berner. Vier Pfund erstklassiges Filet. Der Herr Direktor bringt Ihnen das Paket mit.“
„Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Fräulein Clewe. Ich hätte vor Verzweiflung aus dem Fenster springen können!“
„Tun Sie das lieber nicht, und wenn Sie es nicht lassen können, dann wählen Sie ein Kellerfenster!“
Ich mußte lachen. Daß die Unentbehrliche auch Humor hatte, hätte ich nun doch nicht zu hoffen gewagt.
„Und, Fräulein Berner, wenn das nächste Mal etwas nicht in Ordnung sein sollte, dann rufen Sie mich an. Ich bin so etwas gewohnt.“
Ich bedankte mich noch einmal und legte den Hörer auf. Sie war so etwas gewohnt! Aha! Das ließ ja tief blicken!
Am Abend stand ich da in meinem schwarzen Servierkleid mit einem spitzenverzierten schürzenähnlichen Miniläppchen vor dem Bauch und einem Spitzenhauch auf dem Kopf. Ich glaube, ich habe ein ganz brauchbares Stubenmädchen abgegeben!
Ich brachte das Tablett mit den Aperitifs, und ich machte mir furchtbar viel Mühe, damit alles glatt und reibungslos gehen sollte. Und ich glaube, es gelang. Jetzt konnten keine Schwierigkeiten mehr auftreten. Die Gäste hatten alles auf dem Tisch, ich brauchte nicht zu servieren und konnte mich in aller Ruhe um das Anrichten des Eises kümmern.
Und das Eis verschaffte mir das Lob der Gäste! Eine der Damen kam nachher in die Küche und fragte, ob sie das Rezept bekommen könnte!
Als der Abend glücklich zu Ende war und ich gerade die Kaffeetassen und die Gläser in den Geschirrspüler stellte, kam der Direktor.
Wieviel er von meiner Verzweiflung am Vormittag mitgekriegt hatte, weiß ich nicht. Aber Fräulein Clewe hatte ihn vielleicht eingeweiht.
„Es war sehr schön, Fräulein Jessica. Wirklich sehr schön haben Sie es gemacht. Na, es ist spät geworden, Sie haben viele Überstunden gemacht…“ Er drückte mir etwas in die Hand. Ich traute meinen Augen nicht: Es war ein Hundertmarkschein.
„Aber, Herr Direktor, das ist doch…“
Er machte eine abwehrende Handbewegung. „Schon gut, schon gut. Ich bin sehr zufrieden. Übrigens, was haben Sie mit dem Lachs gemacht?“
„Tiefgekühlt, Herr Direktor. In vier Packungen. Eine Packung reicht genau für ein Sonntagsessen.“
Er sah mich einen Augenblick an, dann sagte er kurz gute Nacht und verschwand.
Und ich sah meinen Hundertmarkschein an.
„Na ja, Jessica“, sagte ich mir selbst. „Es war ein aufregender Tag, aber für hundert Mark läßt man schon etliche Aufregungen über sich ergehen!“
Aber nette Menschen gibt es auch!
Es war Sonntag, und es regnete! Ich war furchtbar enttäuscht. Ich hatte mich so sehr auf diesen Tag gefreut. Ich wollte doch in den Zoo und die nette Frau Grather wiedertreffen, geschweige ihre allwissende Tochter und den süßen kleinen Marcus. Ich hatte mir übrigens das Muster von Marcus’ Jäckchen abgeguckt und wollte für Reni etwas Ähnliches stricken. Reni hatte mich gebeten, für ihr Kind Patentante zu sein. Und so war es doch sonnenklar, daß ich Babysachen stricken mußte. Um so mehr, da Reni nach eigener Aussage hoffnungslos unbegabt in Handarbeiten war.
Aber es regnete! Tieftraurig stand ich auf und begann meine Arbeit. Ich schälte Kartoffeln, machte einen Gulasch zurecht und stellte alles in den Backofen mit Zeitschalter. Ich hätte es nicht gewagt, wenn ich nicht gewußt hätte, daß der Direktor sich selbst um das Weitere kümmern würde. Denn gerade mit der Zeitschaltuhr hatte ich böse Erfahrungen gemacht. An einem Donnerstag, meinem Einkaufstag, war die Gnädige noch nicht erschienen, als ich los mußte. Also schob ich das Essen – und ausgerechnet das Lieblingsessen des Direktors, Hammel in Kohl – in den Ofen, stellte die Zeitschaltuhr nach Gebrauchsanweisung ein, und legte einen Zettel auf den Herd. Ich hatte mit großen, deutlichen Buchstaben geschrieben: „Bitte den Herd so lassen! Der Ofen springt um zwölf Uhr von selbst an. Zeitschaltuhr ist eingestellt.“
Worauf ich Geld, Einkaufstasche und Handtasche zusammenklaubte und zum Bus lief.
Als ich eine halbe Stunde vor der
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