Nur ein kleiner Sommerflirt
ihn.«
»Warum?«
Er zögert kurz. »Es tut mir weh. Ganz tief hier drin.« Er zeigt auf sein Herz. »Ich weiß, das ist nicht besonders cool.«
Ich drücke seine Hand. »Nein, es ist schon cool. Also, es zeigt eben, dass du ihn geliebt hast. Aber du musst darüber sprechen. Weißt du, dadurch kannst du ihn in deiner Erinnerung am Leben halten.«
Er bleibt stehen und denkt eine Minute lang darüber nach. Dann nickt er langsam. »Er hat total gern Fußball gespielt. Er konnte es viel besser als ich, aber er hat mich meistens gewinnen lassen, um mir mehr Selbstvertrauen zu geben.«
»Klingt nach einem ziemlich coolen Bruder. Hast du ein Glück.«
»Ja.« Er schüttelt den Kopf und seufzt. »Ich wünschte, es hätte mich erwischt anstatt ihn.«
»Bist du deshalb die ganze Zeit so mies drauf?«
»Weiß nicht«, sagt er. »Wahrscheinlich schon.«
»Was geschehen ist, ist geschehen, Avi. Glaub mir, ich hab selbst versucht, die Zeit zurückzudrehen. Aber es funktioniert nicht.«
»Das wird mir jetzt zu hoch.«
Ich lache. »Du hast recht.«
»Reden wir über was anderes. Zum Beispiel darüber, wie sehr du mich magst.«
Am liebsten würde ich sagen: Ich bin total in dich verliebt. Stattdessen platze ich heraus: »Ofra sagt, du hattest schon ganz viele Freundinnen. Stimmt das?«
Dieses Gefühl tief in mir drin macht mir Angst und vielleicht will ich ihn unterbewusst nicht noch näher an mich ranlassen. Wenn ich was über seine anderen Freundinnen erfahre, wird es mir leichter fallen, mich in Acht zu nehmen und ein bisschen Abstand von ihm zu halten.
»Das war mal«, antwortet er. »Aber ich bin seit einer ganzen Weile solo. Ich hatte im Kajak schon Angst, ich könnte das Küssen verlernt haben, so lange hatte ich keine Freundin mehr.«
Ich grinse. »Du küsst ganz okay.« Mehr als okay. Wir steigen einen felsigen Hügel neben dem Hotel hinauf. »Ich will mehr über dich wissen«, sage ich, während er mir auf einen großen Felsbrocken hinaufhilft, der ganz oben auf dem Hügel thront.
Avi setzt sich und sieht über die dunkle Wüste auf der einen Seite und die Lichter einer Stadt, die in der Ferne wie Diamanten funkeln, auf der anderen. Es ist ein sehr romantischer Platz, und ich frage mich, ob er auch schon mit anderen Mädchen hier war. Avi reicht mir die Hand, und ich setze mich vor ihn, zwischen seine ausgestreckten Beine.
»Was willst du wissen?«, fragt er.
Eine ganze Menge, wenn ich ehrlich bin. Doch ich stelle ihm die ausgelutschteste Frage, die ein Mädchen einem Jungen stellen kann. Es kotzt mich an, dass mir nichts Originelleres einfällt oder etwas, das reifer klingt.
»Mit wie vielen Mädchen warst du schon zusammen?«
»Zusammen?«, meint er hinter mir und ich spüre seinen warmen Atem auf meinem Hinterkopf, als er sich zu mir vorbeugt. Ich widerstehe dem Drang, mich zurückzulehnen und meine Augen zu schließen. »Du meinst, wie viele ich schon geküsst habe?«
All die anderen Dinge, die er mit anderen Mädchen gemacht hat, will ich mir gar nicht vorstellen, also sage ich: »Ja. Geküsst.«
»Inklusive meiner Mutter?«
»Nein, Klugscheißer, nicht deine Mom. Du weißt genau, was ich meine. Einen richtigen Kuss.«
»Ein Mann spricht eigentlich nicht darüber, wie viele Mädchen er geküsst hat, aber ich sag dir was: Wenn du’s mir verrätst, dann verrate ich es dir auch.«
Ich werfe ihm einen Blick zu, als würde ich ihn umbringen, wenn er mir nicht die Wahrheit sagt. »Du zuerst.«
»Ungefähr acht«, rückt er schließlich raus.
»Acht!«, wiederhole ich entgeistert.
»Wieso?«, fragt er, und ich höre Besorgnis in seiner Stimme. »Wie lang ist denn deine Liste? Ich wette, es sind viel mehr, so, wie du mich im Kajak geküsst hast.«
Ich lächle. Das war ein Kompliment. »Weniger als du.«
Versucht’s mal mit zwei – obwohl, der Erste zählt gar nicht richtig, weil das ein Versehen war.
Ihr fragt euch vielleicht, wie es sein kann, dass man jemanden aus Versehen küsst. Na ja, wir haben bei einer Camp-Übernachtung eine Party gefeiert mit irgend so einem »Lichter-aus-Flirt-Spiel«, und ich dachte, ich würde diesen einen Jungen küssen, der mir gut gefallen hat. Doch dann stellte sich heraus, dass ich den Jungen erwischt hatte, der schon ungefähr mit der Hälfte der Mädchen aus dem Camp geknutscht hatte. Ich erinnere mich noch immer an den Geschmack von Seife im Mund, als ich versucht habe, seine Keime rauszuspülen. Wie heißt es so schön eklig: Es ist, als hätte man alle
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