Nur ein kleines Bischen
lediglich projiziert -
damit sie sich selbst besser fühlt. Aber trotzdem .. .
Ich schüttle den Kopf. Keine Zeit, über meine eigenen möglichen Mängel nachzugrübeln. Ich muss Cait finden, bevor sie noch etwas tut, um sich zu verletzen.
Ich drücke die Tür des Umkleideraums auf und gehe
in die Turnhalle. Die Cheerleader sitzen auf der
Tribüne und plaudern miteinander. Mandy ist nirgends zu sehen.
»Habt ihr Cait gesehen?«, frage ich. ,
Shantel deutet auf den Ausgang. »Sie ist weggelau—
fen«, sagt sie.
»Und sie wirkte ziemlich aufgeregt. Was ist los mit ihr? Geht es ihr gut?«
»Mandy«, erwidere ich, als könne das alles erklären.
»Ich muss sie finden. Ich sehe euch später.«
Ich laufe hinaus und folge dem gepflasterten Weg, der von der Turnhalle zum Footballfeld führt. Ich finde Cait unten bei den Tribünen, wo sie auf dem Boden hockt und, den Kopf in den Händen verborgen, vor
sich hin schluchzt.
»Cait? Ist alles in Ordnung mit dir?«, frage ich und trete vorsichtig näher.
»Geh weg!«, ruft sie und macht eine abschätzige
Handbewegung ungefähr in meine Richtung. »Du hast
schon genug getan.«
»Cait, lass dich nicht von Mandy unterkriegen. Sie ist ein Miststück und alle wissen es.« Ich beuge mich vor, um ihr tröstend eine Hand auf die Schulter zu legen.
Sie schlägt sie weg.
»Was hat sie damit gemeint, Rayne?«
Ich schlucke hörbar und meine Gedanken überschla—
gen sich auf der Suche nach glaubhaften Lügen. Aber mir fällt nichts ein. »In Bezug auf was?«, frage ich, um Zeit zu schinden.
Cait blickt zu mir auf, einen wütenden, anklagenden Ausdruck auf dem tränenüberströmten Gesicht. »Was hat sie gemeint, als sie sagte, du hättest sie erpresst, mich in die Truppe aufzunehmen?«
»Ähm, keine Ahnung«, antworte ich mit einem
nervösen Lachen. »Dieses Mädchen versteht doch die halbe Zeit sowieso niemand. Sie ist so blöd, dass sie . . .«
Cait rappelt sich hoch, stemmt die Hände in die
Hüften und sieht mich wütend an. Ich trete einen
Schritt zurück, weil ich mir Sorgen mache, dass sie tatsächlich versuchen könnte, mich zu schlagen. »Lüg mich nicht an, Rayne!«, ruft sie. »Ich kann keine weiteren Lügen mehr ertragen.« Sie ballt die kleinen Hände zu Fäusten. Ihr ganzer Körper bebt vor Zorn.
»Sag mir die Wahrheit. Hattest du etwas damit zu tun, dass ich in die Truppe aufgenommen wurde, oder nicht?«
Ich starre zu Boden. Es ist an der Zeit, reinen Tisch zu machen, schätze ich. Hoffentlich wird sie verstehen, dass ich es nur gut gemeint habe...
»Ähm, hm, irgendwie schon«, stammle ich. »Aber nur weil ich dachte dass du gut bist. Du warst besser als alle anderen Bewerberinnen. Und ich wollte nicht, dass sie dich einfach abtun, weil.. . weil...«
Meine Worte verlieren sich. Was kann ich sagen? Weil du kein gesträhntes Haar hast? Weil deine Kleider altmodisch sind? Weil ich nicht geglaubt habe, dass deine athletischen Fähigkeiten deinen Mangel an Stilgefühl wettmachen würden?
»Weil ich nicht cool genug bin, um Cheerleader zu
sein«, beendet Cait meinen Satz. »Natürlich. Und du hast gedacht, du würdest mir helfen.« Sie schüttelt mit mutloser Miene den Kopf. »Gott, wie konnte ich nur so dumm sein? Zu denken, dass sie mich genommen haben, weil ich gut genug war. Meine Mom hatte
recht. Ich bin nicht aus dem Holz geschnitzt, aus
dem man einen Cheerleader macht.«
»Aber das ist nicht wahr!«, protestiere ich. »Du bist der talentierteste Cheerleader in der Truppe!«
»Woher willst du das denn wissen?«, fragt Cait und kneift die Augen zusammen. »Du hast doch keine Ahnung.«
Autsch. Ich zucke zusammen. Das hat wehgetan. Klar, ich bin nicht die begabteste Cheerleaderin der Welt.
Aber ich habe trainiert. Tatsächlich dachte ich, ich sei ziemlich gut geworden ...
»Was ich nicht kapiere, ist, warum du überhaupt bei der Truppe bist, Rayne. Es macht dir keinen Spaß.
Und du denkst offensichtlich, dass du den anderen
Mädchen weit überlegen bist. Warum verschwendest
du deine Zeit? Du besetzt einen Platz den ein
Mädchen einnehmen könnte, das wirklich gern Pom—
pons schwingt.«
»Ähm, hm, das ist eine lange Geschichte . ..«
Cait verdreht die Augen. »Egal, Rayne. Verzieh dich einfach und lass mich in Ruhe.«
Sie stürmt davon. Ich sehe ihr nach und wünsche, ich könnte sie aufhalten, ihr sagen, dass sie total falsch liegt. Aber genau genommen tut sie das wahrscheinlich nicht. Schließlich bin ich nur bei der Truppe,
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