Nur ein kleines Bischen
besser.
Einen Augenblick später ist mein Kopf klarer. Erst jetzt kann ich mich auf die Tatsache konzentrieren, dass der Geruch von Blut in einer Highschool-Umkleidekabine etwas sein könnte, worum ich mir Sorgen machen muss. Ich meine, klar, vielleicht
hat gerade jemand seine Tage, aber aus irgendeinem Grund glaube ich nicht, dass es in diesem Fall so einfach ist. Woher kommt das Blut? Und noch
wichtiger, wo ist Cait?
»Cait!«, rufe ich und blicke hektisch von einem Ende des Raums zum anderen. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Keine Antwort. Nur das Tröpfeln einer lecken Dusche.
Davon abgesehen herrscht vollkommene Stille.
Furcht ergreift mein Herz. Was ist, wenn einer der Werwölfesich bei Tagesanbruch nicht in einen Cheerleader zurüchverwandelt hat? Was, wenn er
hinter Cait her ist? Was, wenn er sie bereits gefunden und es geschafft hat, sie in Stücke zu reißen? Könnte das Blut, das ich rieche, tatsächlich von Caits verstümmeltem, totem Körper kommen?
In Panik reiße ich Duschvorhänge zurück, laufe durch die Reihen von Schließfächern und ziehe Toilettentüren auf. Sie muss irgendwo hier drin sein. Der einzige Ausgang - durch das Fenster, das die Wölfe in der vergangenen Nacht zerbrochen haben - ist mit Brettern zugenagelt worden.
Ich erreiche die Behindertentoilette und reiße die Tür.
Oh. Mein. Gott.
Meine Augen treten vor Schreck und Entsetzen aus
den Höhlen. Cait sitzt voll bekleidet auf der Toilette, den Arm von sich gestreckt. Und er ist bedeckt mit winzigen, blutigen Schnitten. Zuerst denke ich, die Sache müsse irgendwie mit den Werwölfen zusammenhängen, aber dann fällt mein Blick auf die Rasierklinge, die sie hinter dem Rücken zu verbergen versucht.
»Was machst du da?«, rufe ich. »Versuchst du, dich umzubringen? Ich rufe den Krankenwagen.«
»Nein!«, sagt sie und springt auf. Blutstropfen
klatschen überall hin und einige landen auf meinem Cheerleader-Pullover, als sie mich am Arm festhält.
Arrgh. Ich habe das Gefühl, ohnmächtig zu werden
von der Unwiderstehlichkeit des Anblicks und des
Geruchs von frischem Blut - der Drang, meine kleinen Reißzähne in ihre Wunde zu bohren und draufloszusaugen, ist fast überwältigend.
Manchmal ist es wirklich krank, ein Vampir zu sein.
»Rayne, nicht!«, fleht Cait und ihre Augen sind
genauso groß und angstvoll wie meine »Ich versuche nicht, mich umzubringen! Ich schwöre es.«
Ich starre sie argwöhnisch an, während ich weiter um die Beherrschung meines Blutdurstes kämpfe. »Cait, du sitzt mit einer Rasierklinge auf der Toilette. Du blutest. Was könntest du sonst tun?«
Sie wird dunkelrot, lehnt sich an die Wand und lässt sich zu Boden sinken. Ich gehe auf die Knie und greife nach ihrem arm, um mir die Sache besser an—
sehen zu können. In diesem Moment bemerke ich die
Narben. Es müssen Hunderte sein. Sie laufen kreuz
und quer über ihren Arm - winzige Silberfäden,
dauerhafte Erinnerungen an frühere Schnitte aus
vergangenen Tagen. Entweder hat sie schon viele,
viele Male erfolglos versucht, Selbstmord zu begehen, oder . . .
»Du ritzt!«, flüstere ich, entsetzt und fasziniert gleichzeitig.
Ich habe über Mädchen wie sie gelesen. Mädchen, die Trost aus Selbstverstümmelung ziehen. Wenn sie sich gestresst fühlen oder aufgeregt oder verängstigt oder hilflos, greifen sie nach einer Rasierklinge. Der kör-perliche Schmerz soll sie emotional besänftigen. Eine Menge Gothics und Emos tun es, um Aufmerksamkeit zu erringen - aus irgendeinem jämmerlichen Grund
halten sie es für cool -, aber richtige Ritzer können einfach nicht dagegen an.
Cait bricht in Tränen aus, entreißt mir ihren Arm und zieht den Ärmel herunter, um die Schnitte und Narben zu bedecken. »Bitte erzähl es niemanden!«, ruft sie.
Tränen strömen ihr über die Wangen und
verschmieren ihr Make-up. »Es ist so peinlich.«
»Peinlich?« Ich starre sie an. »Cait, es ist gefährlich!
Du könntest dir ernsthaften Schaden zufügen. Selbst wenn du es nicht beabsichtigst. Du musst aufhören.«
»Ich . . . ich kann nicht aufhören.« Ihre Röte vertieft sich und sie blickt auf ihren Schoß hinab. »Ich habe ...
ich habe es versucht. Ich kann einfach nicht.«
Wow. Das ist ernster, als ich dachte. Arme Cait. Gott weiß wie lange im Geheimen zu leiden. Ich ziehe sie an mich und versuche, das Blut zu ignorieren, das aus ihrem Arm pulst und über alle Genusssensoren in meinem Gehirn Begehren verströmt.
»Trink!« , bettelt der Vampir
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