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Nur ein Kuss von dir

Nur ein Kuss von dir

Titel: Nur ein Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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ungerecht!« Ohne es zu merken, hatte ich wieder angefangen, mich vor- und zurückzuwiegen, wobei ich die Arme fest um meine Knie geschlungen hatte und versuchte, die ganze Situation zum Verschwinden zu zwingen, als Callums Stimme meine Gedanken durchbrach.
    »Alex!«, flüsterte er scharf. »Da ist die Pastorin. Sie kommt auf uns zugerannt!«
    Schnell drehte ich mich um und sah Reverend Waters kommen. Als ich aufsprang, versuchte sie, schneller zu werden, doch sie war offensichtlich zu erschöpft. »Alex, bitte, geh nicht weg«, keuchte sie. »Wir müssen reden, über …«
    Doch das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte, war eine Standpauke. Ich packte meine ramponierte Zeitung, drehte mich um und rannte davon, dabei drohte mich die Panik zu zerreißen.

9. Durchführung
    Diesmal hielt ich erst wieder an der Waterloo-Station an, und auch da nahm ich mir nur kurz Zeit, um mit Callum zu reden. Das Rennen hatte mir geholfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ich war zwar völlig ausgelaugt, konnte aber wieder vernünftig denken.
    »Callum?«, rief ich, während ich in der Bahnhofshalle stand und darauf wartete, dass mein Zug angezeigt würde. »Callum, glaubst du, du kannst rausbekommen, was die Pastorin will? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich so abgestrampelt hat, bloß um mir zu sagen, dass ich in St. Paul’s nicht mehr über die Absperrungen springen soll.«
    Er hatte offenbar schon zu sprechen angefangen, bevor das Prickeln in mein Handgelenk kam. »… wie sie unter die Brücke gekommen ist. Ich meine, sie kann doch nicht so schnell sein, sie ist uralt. Was …«
    »Warte!«, unterbrach ich ihn. »Noch mal von vorne. Ich hab nur die Hälfte mitgekriegt. Hast du gesehen, wo sie hergekommen ist?«
    »Nee, keine Ahnung. Es ist fast, als ob sie gewusst hätte, wo du hingehst.«
    »Das kann sie unmöglich gewusst haben. Ich hab es ja selbst nicht gewusst, bis ich fast beim Ludgate-Circus war. Ich mag sie nicht. Sie ist verrückt.« Ich schaute mich schnell in der Halle um. »Sind wir hier sicher? Ist sie uns wieder gefolgt?«
    »Nein, ich hab sie beobachtet. Sie ist dir bis zum Embankment gefolgt, und ich hab gedacht, sie nimmt vielleicht ein Taxi, aber dann hat sie sich umgedreht und ist zurückgegangen. Sobald ich sicher war, dass sie dir nicht länger folgt, bin ich zu dir gekommen.«
    »Na gut. Mein Zug kommt in ein paar Minuten. Siehst du dann bei der Kathedrale nach, ob sie zurück ist? Wir müssen mehr über sie wissen und herausbekommen, was sie will.«
    »In Ordnung. Ich komme dann später zu dir nach Hause. Ruf mich, wenn du mich schon früher brauchst.«
    »Alles klar.« Ich spürte die federleichte Berührung seiner Lippen auf meiner Wange, dann war das Prickeln verschwunden.
    Der Lärm und die Betriebsamkeit des Bahnhofs wurden mir wieder bewusst, und vorsichtshalber senkte ich den Kopf, damit mir die Haare das Gesicht verdeckten. Es gab keinen Grund, es ihr – oder wen sie auch immer beauftragt haben mochte – leichter zu machen. Ich ging zu den Sperren, schob mein Ticket in den kleinen Schlitz und ging dann so ruhig, wie es mir möglich war, zum Bahnsteig.
    Im Zug besetzte ich schnell den vordersten Platz im Wagen, wo mich niemand sehen konnte, und schaute wieder auf die zerknitterte Zeitung in meiner Hand. Dort, wo meine verschwitzten Hände zugegriffen hatten, war die Druckerschwärze größtenteils verschmiert, aber ich konnte den Artikel trotzdem noch lesen. Es war alles so schrecklich, dass ich gar nicht wusste, was ich eigentlich schlimmer finden sollte. Ich hatte Lucas nicht nur umgebracht, sondern es war auch noch ein besonders scheußlicher, schmerzhafter Tod gewesen.
    Außerdem war er dabei noch alt geworden. Aber vielleicht hatte er nur sein tatsächliches Alter zurückbekommen?
    Die Panik, die ich die ganze Zeit unter Kontrolle gehabt hatte, drohte nun durchzubrechen bei dem Gedanken, dass ich das Callum beinahe auch angetan hätte. Er hätte jetzt genauso gut schon tot sein können, oder er würde sich in Schmerzen winden und vor meinen Augen altern. Wir hatten solches Glück gehabt, dass es nicht geklappt hatte!
    Langsam begann die Fahrt nach Shepperton, und London glitt an meinen Augen vorbei, ohne dass ich etwas davon wahrgenommen hätte.
    Ich strich die Zeitung wieder glatt und schaute nach dem Datum. Sie war zwei Tage nach meinem Kampf mit Lucas erschienen, war also ungefähr einen Monat alt. Einen Moment lang wunderte ich mich über den Zufall, dass ich auf sie

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