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Nur ein Kuss von dir

Nur ein Kuss von dir

Titel: Nur ein Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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ich das letzte verhängnisvolle Bad im Wasser des Fleet nahm. Daher weiß ich auch nichts darüber, wo genau ich war, nicht so, wie die anderen. Und da ich mir nicht bewusst war zu ertrinken, war ich auch nicht so tief verzweifelt wie die meisten anderen. Ich war allerdings unglaublich wütend. Ich konnte es nicht fassen, dass ich, Veronica, in dieser Situation gelandet war und an diesem grässlichen Ort festsaß. Ich meine, das war einfach nicht möglich. Irgendjemand würde mich retten müssen.«
    Sie beschrieb sich sehr selbstsicher, und ich fragte mich wieder, wer sie zuvor gewesen war. Sie klang, als würde sie empfinden, dass sie früher einmal jemand Besonderes war, sogar jemand Wichtiges. Vielleicht war sie zu ihrer Zeit eine Berühmtheit gewesen. Als Versunkene waren alle gleich, und trotzdem gab es Unterschiede. Sie war anders wegen ihrer Wut statt der Verzweiflung, und auch Callum war anders. Er hatte Hoffnung: Als er sein Leben aushauchte, hatte er ganz sicher erwartet, gerettet zu werden. Ich überlegte, ob das Amulett vielleicht automatisch die auswählte, die nicht so schlimm von Schwermut und dem schleichenden Entsetzen befallen waren wie die anderen.
    »Was ist denn das Erste, an das du dich erinnerst?«
    »Oh, das ist leicht. Ich merkte, dass ich auf dem Flussufer saß, triefend nass und mit dem schlimmsten aller Kater.« Sie blickte mich kurz an. »Das werde ich nie vergessen, weißt du. Meine persönliche Hölle war, eine Ewigkeit mit dem fürchterlichsten Kater der Welt zu verbringen. Jedenfalls merkte ich, dass ich an dem kleinen Strand am Fluss lag, wo heute die neue Waterloo-Bridge steht.«
    »Heute steht? Diese Brücke steht doch schon endlose Zeiten da! Wann in aller Welt bist du denn gestorben?«
    »Keiner von uns weiß das. Du kannst nur sagen, was sich in dieser Zeit verändert hat. Als ich an diesem Strand gelandet bin, war London nicht die Stadt, die du heute kennst. Ich denke, es war Anfang des letzten Jahrhunderts. Damals gab es eine andere Brücke mit einer Menge von Bögen und am Südufer bildeten sich bei Ebbe einige kleine Strände, in Wirklichkeit kleine Streifen Buschland voller Schutt und Abfall. Es stank schrecklich. Sobald ich aufstehen konnte, versuchte ich Hilfe zu bekommen, doch die Leute in der Nähe, arme Menschen, die den angeschwemmten Abfall durchstöberten, beachteten mich überhaupt nicht. Ich weiß noch, dass ich ziemlich sauer auf sie war.« Veronica brach ab und lächelte mich freundlich an. Ich lächelte halbherzig zurück und versuchte, sie damit zu ermutigen.
    »Callum hat mir erzählt, dass es bei Catherine ziemlich ähnlich war. Sie hat die Leute beschimpft und angeschrien, als sie merkte, dass die sie weder sehen, hören noch spüren konnten.«
    »Ich war wahrscheinlich in vielen Dingen Catherine sehr ähnlich. Es ist sehr schade, dass ich sie nie richtig kennengelernt habe.«
    »Also, sie ist wirklich nicht besonders liebenswürdig, da hast du nicht viel verpasst«, knurrte ich. »Und wann ist dir klargeworden, dass du … anders bist?«
    »Ich schleppte mich zur Straße hoch und bemerkte, dass ich einen bodenlangen Umhang trug. Aus irgendeinem Grund überraschte mich das, doch ich weiß nicht, warum. Gleichzeitig wurde mir klar, dass ich keinerlei Erinnerung mehr hatte. Das war sehr sonderbar. Ich wusste die Namen der Dinge wie Themse, Somerset House – und natürlich St. Paul’s, aber mir wurde bewusst, dass ich keine Ahnung hatte, wer ich war oder wo ich gewohnt hatte und wer meine Familie war. Du glaubst ja gar nicht, wie beängstigend das sein kann.«
    Ich gab ein unverbindliches Brummeln von mir, weil ich mich nicht traute, etwas zu sagen. Das war genau der Zustand, in dem ich gewesen war, nachdem mir Catherine meine Erinnerungen gestohlen hatte. Und genau so musste auch Veronica den armen Kerl zurückgelassen haben, den sie angegriffen hatte, dachte ich. Doch ich blieb still. Ich wollte nicht mit etwas kommen, das sie wütend machen könnte, wo es noch so viel herauszukriegen galt.
    »Ich beschloss, den Umhang zu behalten, na ja, ich hatte sonst ja nichts. Also ging ich auf die Brücke zu und hoffte, jemanden zu treffen, den ich kannte oder der mich vielleicht kannte, und dabei stieß ich auf eine größere Menschenansammlung. Es herrschte ziemliche Unruhe, und auch die Polizei war da. Ich umging die Leute, um näher zu den Polizisten zu gelangen, wobei ich mich bemühte, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Ich wusste zwar nicht,

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