Nur ein Kuss von dir
holen, ist er nach unten geklettert. Sein erster Gedanke war, es zur Polizei zu bringen, um überprüfen zu lassen, ob es als vermisst gemeldet war, doch dann sah er genauer hin und stellte fest, dass es schon jahrelang im Wasser gelegen haben musste. Er wusste, dass es wertvoll war, und dann meinte er, dass er es auch für seine Stiftung verkaufen konnte.
Daniel war Pfarrer, und seine Gemeindekirche war baufällig geworden. Gemeindemitglieder waren fortgezogen, und irgendwelche Leute hatten das Blei vom Dach der Kirche gestohlen, sie drohte einzustürzen. Er musste dringend irgendwo Geld auftreiben für die Reparaturarbeiten. Deshalb hatte er eine Stiftung ins Leben gerufen, doch die hatte sich nicht gut entwickelt. Der arme Daniel war kein besonders guter Geschäftsmann, und er hatte fürchterliche Schwierigkeiten, seine Gemeindemitglieder davon zu überzeugen, dass sie einen Beitrag leisteten. Daher war er der Meinung, der Fund des Amuletts wäre die Antwort auf seine Gebete.
Bevor er damit nach Hause ging, machte er es sauber. Das war meine erste Vision von ihm, während ich gerade in St. Paul’s war. Ich musste einfach aufschreien. Auch alle anderen wurden richtig aufgeregt. Das Amulett war schon so lange nicht mehr gesehen worden. Aber es gab auch sofort Streit. Ein paar von den anderen fanden es nicht richtig, dass ich die Erwählte sei, da ich noch nicht so lange eine Versunkene war wie andere. Doch niemand kam damit weiter, bis Daniel das Amulett anlegte. Wenn er es in der Hand hielt, hatte ich meine Vision, doch um ihn für meine Flucht zu nutzen, musste er das Amulett tragen, damit es Kraft bekam. Und von den anderen wusste ich, dass es entscheidend für mich war, dass ER es trug und nicht irgendjemand sonst, nicht seine Frau oder jemand, der es beim Juwelier kaufen würde. Meine Verbindung würde immer nur mit ihm richtig gut sein.
In den Visionen konnte ich zum Glück ungefähr sehen, wo er war, und der Kragen eines Geistlichen machte es einfacher, ihn schnell zu erkennen. Ich traf ihn schließlich in der Sakristei seiner Kirche an, wo er den Armreif nachdenklich betrachtete. In dieser Nacht war es recht einfach, in seine Träume einzudringen, um ihm den Gedanken zu vermitteln, der Armreif wäre nur in Sicherheit, wenn er ihn trüge, dann könnte ihn niemand stehlen. Sobald er ihn angelegt hatte, war alles ziemlich einfach …«
»Bist du dahintergekommen, wie du mit ihm reden konntest?«
»Nein. Diesen speziellen Trick habe ich nie gelernt. Du musst Callum mal irgendwann fragen, wie er das rausbekommen hat. Nein, ich bin nur hinter ihm im Spiegel und in den Fensterscheiben erschienen. Auch das hat den armen Mann fast zu Tode erschreckt.«
»Kann ich mir vorstellen«, murmelte ich und dachte daran, wie fürchterlich ich erschrocken war, als Callum anfing, hinter meiner Schulter aufzutauchen.
»So habe ich ihn nur verfolgt, ich wartete, bis er das Amulett eine Weile getragen hatte, und erschien dann plötzlich auf der Bildfläche. Er dachte wirklich, er würde verrückt. Ich versuchte, die ganze Zeit bei ihm zu sein, um möglichst sicherzugehen, dass ich zur Stelle war, wenn er das Amulett abzog, damit ich entkommen konnte, aber es war schwer. Schließlich musste ich ja weitersammeln, und er verbrachte nicht viel Zeit mit glücklichen Leuten. Jedes Mal, wenn ich von seiner Seite wich, waren ihm entweder Arthur oder Lucas auf den Fersen und hofften, die Gelegenheit ergreifen zu können. Schon ziemlich bald war mir klar, dass etwas passieren musste, ansonsten würde ich meine Chance verlieren. Die Vorstellung den Rest der Ewigkeit in dieser unglückseligen Existenz festzusitzen, konnte ich nicht aushalten, doch ich wusste nicht genau, was ich machen sollte. Da wurde mir die Entscheidung aus der Hand genommen …« Sie brach wieder ab und blickte zu Boden.
»Was ist passiert?«, fragte ich nach einer Weile leise. Sie schaute mich voller Schmerz und schlechtem Gewissen an.
»Daniel hatte erkannt, dass das Amulett die Ursache all seiner Probleme war, und wollte es loswerden. Er dachte nicht länger daran, es zu Geld zu machen, im Gegenteil. Er war davon überzeugt, dass es etwas durch und durch Schlechtes wäre, etwas, das ihm der Teufel geschickt hatte, um ihn in Versuchung zu führen. Er wickelte einen Draht um einen großen Stein und befestigte daran das Amulett. Dann kam mein Moment. Er war so erleichtert, das Amulett über das Brückengeländer fallen lassen zu können, dass er nicht
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