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Nur ein Kuss von dir

Nur ein Kuss von dir

Titel: Nur ein Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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wer ich war, doch ich war mir ganz sicher, nicht zu den Dieben und Taugenichtsen zu gehören, die sich hier bei Waterloo herumtrieben. Allerdings nahm überhaupt niemand Notiz von mir, wofür ich zunächst dankbar war. Ich dachte, dass der Umhang mich vielleicht so unauffällig machte. Wie wenig ich doch wusste!« Sie lachte rau. »Nachdem ich auf einen Polizisten gestoßen war«, fuhr sie dann fort, »merkte ich, dass ich in ganz anderen Schwierigkeiten steckte.
    Ich hatte mich einem der Polizeibeamten genähert, der so wirkte, als würde er Anweisungen erteilen. Mindestens eine Minute stand ich bei ihm, ohne dass er mich angesehen hätte, also klopfte ich ihm auf den Arm. Vielmehr versuchte ich das. Meine Hand ging einfach durch ihn durch. Ich musste losschreien, nur um dann zu merken, dass auch das keinerlei Wirkung bei ihm zeigte. Ich hatte keinen Schimmer, was aus mir geworden war …« Ihre Stimme verebbte, und Tränen liefen ihr über die faltigen Wangen.
    Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie kurz. »Weißt du, das musst du mir nicht erzählen. Ich verstehe.«
    »Nein, das ist schon in Ordnung. Mir geht’s gut. Aber weil ich noch nie über irgendetwas davon habe sprechen können, fällt es mir jetzt umso schwerer. Doch es tut mir gut, und es gibt keinen Grund, sich jetzt in Selbstmitleid zu ergehen.« Sie holte tief Luft und wischte sich die Tränen von den Wangen, bevor sie weitererzählte. »Ich versuchte den ganzen Tag, jemanden dazu zu bringen, mich zu bemerken. Ich versuchte, Dinge zu bewegen, schrie den Leuten ins Ohr – aber nichts, niemand reagierte auf mich. Das setzte ich stundenlang fort, arbeitete mich durch ganz London, rannte den Leuten hinterher. Irgendwann überquerte ich die Themse, ich weiß aber nicht, wann das war. Ich befand mich in West End, als die Theater schlossen, und war völlig erschöpft. Es war dunkel geworden, ich saß am Straßenrand, war verkatert und zornig und tat mir schrecklich leid. Da bemerkte ich die Lichter.«
    »Welche Lichter?«
    »Diese kleinen tanzenden Lichter über den Köpfen der Menschen, die aus den Theatern kamen. Fast alle von ihnen hatten diese blassen kleinen auf- und niederhüpfenden Funken, wie Glühwürmchen oder so was.«
    Ich nickte zustimmend. »Das hab ich auch gedacht, als ich sie zum ersten Mal sah.«
    »Du kannst Auren sehen? Wie hast du das denn geschafft?«
    »Das gehört zu einer langen Geschichte. Um es kurz zu machen: Callum hat alle meine Erinnerungen in sein Amulett kopiert, während Catherine sie gestohlen hat. Später dann, als ich das Amulett wieder am Handgelenk trug, konnte er mich damit aufladen. Seitdem bin ich in der Lage, die glücklichen Auren zu sehen.«
    »Mir war nicht klar, dass du sie auch sehen kannst. Nur die glücklichen, oder auch die anderen?«
    »Hauptsächlich die gelben, aber manchmal auch die roten und violetten, wenn jemand sehr stark empfindet. In St. Paul’s erscheinen sie alle sehr viel kräftiger als sonst irgendwo.«
    »Hm, interessant. Weißt du, ich bin ja so froh, dass ich dich endlich gefunden habe.« Sie lächelte mich warm an, und das kleine gelbe Licht bestätigte ihre Worte.
    »Ich bin echt gut darin geworden, sie auszublenden. Wenn ich nicht daran denke, fallen sie mir kaum auf. Aber es kann nützlich sein, wenn ich mit meiner Mutter rede. Dann weiß ich, wann es gut oder ungünstig ist, sie um einen Gefallen zu bitten.«
    »Ich verstehe schon, wie das funktioniert.« Sie lächelte wieder kurz, aber dann wanderte ihr Blick in die Ferne, und das gelbe Licht verblasste, als sie weitererzählte: »Ich merkte dann, dass ich diese eigenartigen Lichter über allen Köpfen sehen konnte, und rätselte noch darüber, als mich ein überaus seltsames Gefühl überkam.« Sie unterbrach sich, und ich hob fragend die Augenbrauen. »Im richtigen Leben gibt es absolut nichts, was ich damit vergleichen kann. Es war, als würde ich von etwas herbeibefohlen, das ich nicht verstand. Ich wurde durch die Straßen von Soho gezogen, über die dunklen Plätze von Lincoln’s Inn Fields, immer nach Osten. Anzuhalten war gar nicht möglich, ich konnte nicht einmal daran denken, diesem Drang nicht zu folgen, der ständig stärker wurde. Und die ganze Zeit wurde ich immer wütender darüber, dass all das überhaupt passierte. Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich kämpfte mich gerade durch eine Ansammlung von Menschen, die mich nicht bemerkten, wobei ich auch durch ein Kind ging. Dabei muss ich aus Versehen seine Aura

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