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Nur ein Kuss von dir

Nur ein Kuss von dir

Titel: Nur ein Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. C. Ransom
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bemerkte, wie ich dem Amulett jede Erinnerung entnahm. Als ihm klar wurde, dass etwas nicht stimmte, war es zu spät. Er konnte mich nicht mehr aufhalten.«
    Als sie den Vorgang beschrieb, konnte ich sie nicht ansehen. Es war alles zu vertraut, zu schrecklich. Ich wollte nicht, dass sie meinem vorwurfsvollen Blick begegnete.
    »Und während ich die letzten Erinnerungen absaugte, war ich mir bewusst, dass Arthur und Lucas darum kämpften, dichter an mich heranzukommen, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Das ist die letzte Erinnerung, die ich an mein Leben als Versunkene habe. Als Nächstes weiß ich nur, dass ich mitten auf der Themse, meilenweit stromabwärts, in ein Boot gezogen wurde. Dann ist bei mir wieder alles ein bisschen undeutlich.«
    »Warum? Hast du wieder angefangen zu trinken?«
    »Aber ganz bestimmt nicht! Seitdem ich rübergekommen bin, habe ich keinen Tropfen angerührt. Ich hatte ja Daniels ganze Erinnerungen, und das machte die Sache ein bisschen schwierig. Lange Zeit kam ich nicht so richtig damit zurecht, dass ich, Veronica, die Erinnerungen eines Pastors mittleren Alters hatte und mich gleichzeitig an meine Zeit als Versunkene erinnerte. Sobald die Ärzte merkten, dass ich keine Vergangenheit hatte, und auch nicht glaubten, was ich sagte, steckten sie mich in eine psychiatrische Klinik. Dort blieb ich, bis ich herausfand, was ich ihnen am besten erzählte. Das hat eine ganze Weile gedauert, kann ich dir sagen.«
    »Wie lange warst du denn in der Klinik?«, fragte ich betroffen.
    »An die fünfzehn Jahre. Ich gehörte da fast schon zum Inventar, als sie schließlich zu dem Schluss kamen, dass ich weder eine Gefahr für mich selbst noch für andere darstellte, und mich rausließen. Ich hatte eine Diagnose als Schizophrene, da ich zwei völlig unterschiedliche Erinnerungsbereiche hatte, doch niemand glaubte mir, dass die echt waren. Eine Zeitlang hatte ich das sogar selbst bezweifelt.«
    Veronica machte wieder eine Pause, nahm den Teelöffel und rührte den restlichen Tee in ihrer Tasse um. Ich merkte, dass ich atemlos auf ihre weitere Schilderung wartete, wie sie es tatsächlich geschafft hatte, sich nach einem Leben als Versunkene wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Damit musste Catherine schließlich auch klarkommen.
    »Da stand ich also auf der Straße mit nichts, aber auch gar nichts außer verschwommenen Erinnerungen an mein Leben als Parasit und sehr klaren Erinnerungen von Daniel an seinen Beruf als Pastor. Also bin ich zur Kirche gegangen. Sie kümmerten sich um mich, gaben mir ein Zuhause, eine gering bezahlte Arbeit und schließlich eine Ausbildung.« Sie lächelte mich kurz an. »Die fiel mir nicht besonders schwer, da ich ja alle Erinnerungen von Daniel an seine Zeit im Seminar hatte. So konnte ich geradewegs durchmarschieren.«
    »Aber bist du auch gläubig geworden? Ich meine, haben seine Erinnerungen den Glauben in dein Leben gebracht, haben sie dich verändert?«
    »Die Erinnerungen – alle Erinnerungen – können nicht deine Persönlichkeit verändern, wohl aber deine Reaktionen. Ich war ein Mensch mit Suchtstrukturen. Da bin ich mir ganz sicher, und das hat sich nicht geändert. Ich bin es immer noch. Aber mit Daniels Erinnerungen war ich in der Lage, den Brennpunkt dieses Suchtverhaltens zu verlagern in Richtung Bereuen und Tilgen meiner Schulden. Daniel wollte nicht sterben, und ich habe den Rest meines neuen Lebens mit dem Versuch verbracht, das wiedergutzumachen.«
    »Was hast du getan?«
    »Nach meiner Ausbildung bei der Kirche wurde ich einer Gemeinde im Norden zugeteilt, im Innenstadtbereich mit jeder Menge Probleme. Ich denke, dass ich dort einigen Menschen helfen konnte, und ich glaube, Daniel hätte das gut gefunden. Natürlich konnten damals Frauen nicht Pastorin werden, und so war ich viel eher eine Art Assistentin, aber das hat sich mit der Zeit verändert. Und dann, als ich in den Ruhestand trat, beschloss ich, alle Zeit, die ich zur Verfügung hatte, den Versunkenen zu widmen. Ich konnte nicht dem Mitarbeiterstab der Kathedrale beitreten, da herrscht viel zu viel Konkurrenz, doch es ist möglich, eine Freundin von St. Paul’s zu werden, eine Freiwillige, die bei all den Besuchern hilft.
    Das erste Mal war ich zurück nach St. Paul’s gegangen, als man mich aus der Klinik entlassen hatte. Es war schon seltsam, dahin zurückzukommen. Ich wusste nicht, was ich empfinden würde, wenn es dort einen Hinweis darauf geben sollte, was ich durchgemacht

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