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vergessen hätte und wegen des leeren Akkus nicht erreichbar wäre. Und da er mit seinen Studenten unterwegs sei, ich aber allein losgezogen wäre, könnten sie auch nicht über sein Handy mit mir sprechen.
„ Ich hielt es für schlauer, nicht direkt die ganze Welt rebellisch zu machen. Dachte mir, damit wäre keinem geholfen. Du kannst dir selbst überlegen, wen du wie sehr in die tatsächliche Geschichte einweihen willst“, erklärt er. Er ist so vernünftig! Das war wirklich außerordentlich weitsichtig von ihm. Nicht auszudenken, was los wäre, wenn meine Eltern von der Entführung erfahren hätten!
„ Bevor wir nun zu dem kommen, was uns alle am meisten interessiert, nämlich was zur Hölle hier für eine kranke Sache abgelaufen ist, lass mich dir noch kurz sagen: Letzte Nacht gab es wieder einen Vorfall in eurer Wohnung. Jemand hat eine Scheibe eingeworfen. Die Polizei hat nun die Ermittlungen aufgenommen und Emily wohnt vorübergehend bei Nils“, bringt mich George auf den neusten Stand der Heimat-Nachrichten. Letzte Nacht hatte Wiesenthal doch wirklich keinen Grund mehr, in meiner Wohnung Scheiben einwerfen zu lassen, er hatte mich doch sowieso schon in seiner Gewalt! Seltsame Sache.
Florian hat nun gehört, er will nicht über Ereignisse reden, die sich zu Hause abspielen, sondern über das, was hier in den letzten Stunden passiert ist. Er fängt an, wahllos zu erzählen, ganz ohne Zusammenhang, gespickt mit etlichen Schimpfwörtern, aber da ich ihm nicht folgen kann, würge ich ihn nach wenigen Sätzen ab.
„ Seid doch so lieb, und versucht mir das alles in der chronologischen Reihenfolge zu erzählen. Wann habt ihr überhaupt gemerkt, dass ich weg bin?“, versuche ich, eine Struktur in die Erzählung zu bringen.
Es funktioniert. Nun erzählt hauptsächlich George und Florian ergänzt hin und wieder etwas, so dass ich mir ein Bild davon machen kann, was seit gestern Nachmittag los war.
George hatte Florian erzählt, dass wir abends zusammen ins Kino gehen wollten, und Florian wollte sich uns unbedingt anschließen. Da George und ich uns in unserem Hotel treffen wollten, um gemeinsam zum Kino zu gehen, kam Florian auch gleich mit ins Plaza und bezog sein neues Zimmer. Doch ich tauchte nicht auf, hatte keine Nachricht hinterlassen und war auf dem Handy nicht erreichbar. Schnell vermuteten beide, dass etwas nicht stimmte.
„ My dear, ich hatte ein ganz ungutes Gefühl im Bauch“, sagt George und drückt kurz meine Hand. Weil sie nicht wussten, was sie sonst tun sollten, haben sie die ganze Stadt nach mir abgesucht, sie waren an allen Kinos, am Mittelalterhotel, am Freilichttheater, kurz gesagt, an allen Orten, an denen wir schon mal waren oder wo wir noch hinwollten.
Als es dunkel wurde, machten sie sich richtig Sorgen und riefen zum ersten Mal bei der Polizei an. Dort wollte man aber nichts unternehmen. Eine erwachsene Frau, die nicht rechtzeitig zu einer Verabredung kommt und nicht ans Handy geht, war nichts Außergewöhnliches.
Nachdem sie sämtliche Krankenhäuser der Stadt abtelefoniert hatten, beschlossen sie, einfach im Hotel darauf zu warten, dass ich auftauche oder mich melde. Eine andere Wahl hatten sie schließlich nicht.
Der Anruf von Markus mit meinem Geschrei im Hintergrund überzeugte sie endgültig davon, dass mit mir etwas ganz und gar nicht in Ordnung war und George rief erneut bei der Polizei an. Wie ich bereits von Wiesenthal erfahren hatte, war er bei seinem zweiten Anruf ziemlich überzeugend und er hätte damit um ein Haar einen Einsatz ausgelöst.
„ Wir haben diese komische Story keine Sekunde geglaubt, von wegen du würdest besoffen bei Wiesenthals alles vollkotzen“, verkündet Florian stolz. Die beiden glaubten es nicht, waren aber ziemlich wütend, dass der Einsatz abgeblasen war und dass man ihnen regelrecht untersagte, mich selbst bei Wiesenthals abzuholen.
George wollte im Hotel warten, bis ich hoffentlich gebracht werden würde – hatte ich ihn richtig eingeschätzt – doch Florian war nicht mehr zu halten. Er bestand darauf, allein zur Villa zu fahren und sich dort umzusehen. Und so hockte er die halbe Nacht in dem Gebüsch neben der Einfahrt und wartete darauf, dass irgendetwas passierte. Der arme Kerl.
„ Ach, halb so schlimm, ich war früher bei den Pfadfindern, damals haben wir dauernd die halbe Nacht lang in irgendwelchen Büschen gehockt“, winkt er ab, als ich ihn wegen der Strapazen bedauere. „Wenigstens war es warm und hat nicht
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