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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Sie, das ist immens wichtig!«, rufe ich. »Wenn der Mörder dabei war … also wenn einer von Ihnen dreien es war … dann hätte er zuerst den Toten befreit, um dem Wasser noch mehr Zeit zu lassen, auch mit dem noch Lebenden Schluss zu machen. Darum
muss
ich wissen, wer wen nach oben gezogen hat!«
    Genervt schüttelt Lucio Etxe meine Hand von seinem Arm ab. »Du bist ja vollkommen irre! Wie nennst du noch mal das, was du hier treibst?«
    »Ich ermittle. Ich bin Privatdetektiv.«
    »Ein Scheiß-Privatdetektiv bist du!«, schreit er und spuckt mir angewidert den allerletzten Rest seines Mageninhalts vor die Füße.

4 Gerade den Richtigen getroffen
    Die Kirchturmuhr von San Baskardo schlägt sieben Mal. So früh am Morgen habe ich die Buchhandlung noch nie aufgemacht, und außer ein paar vereinzelten Arbeitern, die verschlafen zum Bahnhof trotten, begegnet mir kein Mensch.
    Da schon etwas Tageslicht in den Raum fällt, mache ich kein Licht an. An meinem Krimiregal vorbei, wo ich Chandlers und Hammetts Romane mit einem vertraulichen »Guten Morgen!« begrüße, eile ich nach hinten zu meinem Tisch und setze mich. Den Blick auf die Eingangstür gerichtet, lehne ich mich zurück und reibe mir energisch die Oberarme, um meiner Euphorie über die ersten Erfolge als Privatdetektiv Sam Esparta irgendwie Herr zu werden, bis allmählich meine Bewegungen immer langsamer werden und meine Augenlider schwerer und schwerer …
     
    »Na, wie war’s am Strand?«
    Koldobikes Stimme lässt mich hochschrecken.
    »Wie?« Ich reibe mir die Augen und gähne. »Woher … woher weißt du, dass ich am Strand war?«
    »Schau auf den Boden. Du hast eine ganze Schubkarre voll Sand mit reingeschleppt.«
    Alle Achtung, sage ich mir, während ich schlaftrunken meine Glieder strecke, Espartas Sekretärin ist ganz schön clever.
    »Ich habe Lucio Etxe und seinen Sohn getroffen. Die beiden wissen jetzt ganz genau, wer Sam Esparta ist, das kann ich dir versichern. Und das ist für den Anfang gar nicht so schlecht, oder?«, erkläre ich stolz. »Durch meine geschickten Fragen ist es aus Etxe nur so herausgesprudelt und er hat mir Dinge erzählt, auf die vor zehn Jahren kein Mensch geachtet hat. Das war der reine Realismus, kann ich dir sagen, meine Fantasie musste ich nicht ein einziges Mal bemühen, mein Kriminalroman schreibt sich ganz von allein!«
    »Jedenfalls hast du damit den Stein ins Rollen gebracht. Denn eins ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Etxe wird herumerzählen, dass du ihn in die Mangel genommen hast. Stell dich also schon mal drauf ein, dass der geheimnisvolle Mörder dir bald auf den Fersen ist.«
    Augenblicklich sacken meine Schultern nach unten. Zwar kann ich verstehen, dass sie nicht so verzückt ist wie ich, schließlich kann sie nicht die Hochstimmung nachempfinden, die ein Schriftsteller verspürt, wenn sein zähes Ringen um die richtigen Worte endlich Früchte trägt, dennoch hat ihr bissiger Kommentar meiner Euphorie einen gehörigen Dämpfer aufgesetzt. Enttäuscht sehe ich ihr zu, wie sie entschlossen zur Tür geht und mit einem langen, offenbar aber leichten Paket zurückkommt. Ruck, zuck packt sie es aus und stellt den dreigliedrigen Wandschirm vor meinem kleinen Tisch auf.
    »Voilà: Fertig ist Sam Espartas Büro. Der stand noch bei uns daheim in der Abstellkammer.«
     
    Ruhig Blut, San… äh, Samuel, du hast gerade erst mit den Ermittlungen angefangen, und dass das kein Spaziergangwird, war dir von Anfang an klar, versuche ich mir selbst Mut zuzusprechen. Eine geschlagene Stunde sitze ich nun schon hinter meinem Wandschirm und versuche vergeblich, aus Lucios Aussagen die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, während Koldobike die Kunden bedient, die an diesem Vormittag unsere Buchhandlung betreten. Sie tut es ohne Murren; allem Anschein nach hat sie meiner neuen Identität nun endgültig ihren Segen gegeben.
    Kurz vor Mittag rufe ich sie endlich.
    »Ich brauche dich, Puppe!«
    Als aufmerksame Leserin meines Lieblingsgenres kommt sie meiner Bitte mit einem »Ich komme sofort, Chef!« nach und schiebt nur eine Minute später eilfertig ihren Stuhl in mein Büro, wo sie sich mir, mit Block und Bleistift bewaffnet, gegenübersetzt.
    »Den Stift kannst du hinlegen, Puppe.«
    Erfreut stocke ich kurz, zeugt ein Satz wie der letzte doch von einem wahrhaft gelungenen Szenenaufbau, und erzähle ihr dann Punkt für Punkt von meinen Gesprächen am Strand. Still und ergeben, wie es sich für die Sekretärin eines

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