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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Tatort!«
    »Schon … mir kommt da gerade nur jemand in den Sinn, der mehr als sonst einer in die Sache verwickelt war. Er warin besagter Nacht mit auf dem Felsen. Wenn aus dem nichts rauszukriegen ist, dann sehe ich schwarz für die Klärung des Falls.«

5 Alles hat seinen Preis
    Normalerweise schließen wir abends um acht, aber gestern bat mich Koldobike um Erlaubnis, schon um sieben gehen zu dürfen. Sie müsste das nicht erst fragen, und das weiß sie auch, schließlich habe ich mich schon oft genug vor ihr aus dem Staub gemacht, mit dem neuesten Krimi in der Tasche als Feierabendlektüre. Bevor jedoch die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, fragte ich sie noch, wo Eladio Altube wohnt.
    »Wofür brauchst du seine Adresse?«, wollte sie verwundert wissen. »Ein Geschäftemacher wie der ist doch den ganzen Tag unterwegs von einer seiner Einnahmequellen zur nächsten. Am einfachsten wird es sein, wenn du gleich morgens zu seiner Hühnerfarm gehst, diesem gewaltigen Ziegelsteinbau, den man schon von der Wegkreuzung nach Laparikobaso aus sieht.«
    In Getxo braucht man nicht lange, um von A nach B zu kommen, weshalb ich bereits um neun Uhr morgens vor dem Geflügelhof der Altubes stehe, der 1932 großes Aufsehen erregt hat, weil er hier der erste Industriebetrieb dieser Art war. Bereits im selben Jahr seiner Inbetriebnahme machten die Zwillinge jedoch erst einmal Bankrott. Schuld daran war ein gewisser Ambrosio Menchaca, der seinerzeit ebenfallsHühner zu züchten begann, wenn auch nach einer alles andere als industriellen Methode: Er hielt sie nicht nur in seinem Hühnerstall, sondern überall auf seinem Hof, selbst im Wohnhaus brütete das Federvieh seine Eier aus, in jedem Zimmer gackerte und piepste es, sogar in seiner Schlafkammer, wo er, wie es hieß, zwischen den Küken schlief, damit sie es nicht kalt hatten. Dank dieses Einfallsreichtums und Fleißes fanden bei dem Junggesellen letztlich mehr Tiere Platz als in der Fabrikhalle der Zwillinge. Menchacas Triumph lag allerdings nicht an der größeren Menge der Tiere, sondern an seiner rotgefiederten Hühnerrasse, die braune Landeier legte. Im Unterschied zu den weißen Eiern der Altubes waren diese viel größer und zudem schmackhafter, da Menchacas Hühner ausschließlich roten Mais bekamen, wohingegen die Altube-Brüder amerikanisches Kraftfutter verfütterten, dessen Inhaltsstoffe man lieber nicht so genau kennen wollte.
    Eines Tages verschlug uns dann allerdings eine Schreckensnachricht den Atem: Menchaca war von jemandem bei La Galea die Klippen hinabgestoßen worden. Da die größere Nachfrage nach seinen Eiern die Altube-Brüder zum Schließen ihres Betriebs gezwungen hatte, standen sie natürlich zuerst unter Verdacht. Irgendwann stellte sich dann aber heraus, dass ein gewisser José Salegui das Verbrechen begangen hatte, und nach wenigen Monaten nahmen die Altubes ihre Eierproduktion wieder auf. Seither wirft die Hühnerfarm satte Gewinne ab, da im Krieg die Preise für Lebensmittel drastisch stiegen und jetzt in der Nachkriegszeit Nahrungsmittel fast nur noch auf dem Schwarzmarkt zu bekommen sind, woran sich so mancher Gauner eine goldene Nase verdient.
    Ein Stacheldrahtzaun umgibt das Gelände, das zudem von zwei riesigen Kötern bewacht wird, die, kaum haben sie michentdeckt, angelaufen kommen und bedrohlich knurrend und kläffend daran hochspringen, sodass ich vor der vergitterten Eingangspforte stehen bleibe. Menchacas Ermordung, die mir gerade wieder in den Sinn gekommen ist, gibt mir zu denken. Tatsächlich war es logisch, dass Eladio und Leonardo 1933 verdächtigt wurden, ihren Rivalen aus dem Weg geräumt zu haben. Schon damals hauten sie wirklich jeden übers Ohr und logen und betrogen, was das Zeug hielt. Tja, und kurioserweise waren die Zwillinge zwei Jahre später wieder in ein Verbrechen verwickelt – nun allerdings als Opfer. Irgendjemand hatte wohl einfach die Schnauze voll gehabt von ihren Gaunereien.
    Plötzlich sehe ich einen schmächtigen Kerl näher kommen. Mit einem heiseren »Aus!« bringt er die Wachhunde zum Kuschen und schlurft dann wie ein alter Mann zur Gittertür, dabei ist er höchstens fünfundzwanzig – und damit eindeutig zu jung, um Eladio Altube zu sein, der inzwischen Mitte vierzig sein muss. Er trägt einen dreckigen, nach Hühnerkacke stinkenden Blaumann und macht nicht nur keine Anstalten, mich zu fragen, was ich will, seine Augen sehen mich auch nicht an, sondern blicken über meine Schulter hinweg in die

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