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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Kontrolle.
    Mit einem Buch in der Hand richtet Koldobike sich auf.
    »Wie ein Himmelfahrtskommando haben sie die Buchhandlung gestürmt, und während einer mich verhörte, haben die anderen beiden den ganzen Laden und dein Büro auf den Kopf gestellt. Nicht dass sie irgendwas gesucht hätten. Sie hatten nur eins im Sinn: uns Angst einzujagen. Als sie schließlich abzogen, meinte ihr Anführer süffisant, dass du nicht Räuber und Gendarm spielen sollst. Das sei einzig und allein ihre Aufgabe, soll ich dir ausrichten. Das hier solle dir eine Warnung sein«, erklärt sie aufgebracht. Zorn blitzt aus ihren Augen. »Wann hören sie auf, uns daran zu erinnern, dass sie den Krieg gewonnen haben? Mit Fußtritten verjagen sollte man sie!«
    Die Schubladen aus meinem Schreibtisch liegen ausgeleert auf dem Boden, ihren Inhalt hat Koldobike aber bereits aufgesammelt. Während ich niedergeschlagen den Papierstoß auf meinem Tisch betrachte, leuchtet etwas vor meinem geistigen Auge auf, das ich bei dem ganzen Tohuwabohu vorhin vollkommen übersehen habe.
    Ich reiße fast die Stellwand um, als ich zu Koldobike laufe, die vor dem Krimiregal wieder in die Hocke gegangen ist, um meine wertvollsten Schätze vom Boden aufzuheben.
    »Du hast es getan, Koldobike! Du hast es getan!« Ich packe sie an den Schultern und ziehe sie hoch. »Dabei hättest du es wirklich nicht tun müssen.«
    Sanft macht sie sich los.
    »Es war höchste Zeit, schließlich hast du schon mit dem Roman angefangen. Und ich wollte darin hübsch aussehen.«
    »Ja, schon. Aber ich weiß auch, was einer Frau ihre Haare bedeuten.«
    »Papperlapapp! Dieses Mal wirst du endlich einen richtigguten Krimi schreiben. Und da Samuel Esparta mir die Rolle seiner Sekretärin zugewiesen hat, mussten meine Haare nun mal platinblond sein. Falls du es nämlich vergessen haben solltest: Ich verkaufe nicht nur die Bücher von Chandler, Hammett & Co., ich
lese
sie auch. Ich weiß über deine Helden also genauso viel wie du, und über deren Sekretärinnen noch viel mehr, du würdest staunen«, erklärt sie, sieht mich dabei aber nicht an, als mache sie dieses Bekenntnis verlegen, was in den ganzen sechs Jahren noch nie vorgekommen ist.
    »Aber so sehr hättest du dich wirklich nicht verändern müssen, nur damit ich mich wie meine Idole fühlen kann.«
    Sie wendet sich dem nächsten Regal zu und bückt sich, um ein paar Liebesromane aufzuheben.
    »Du hattest mich darum gebeten.«
    »Ja, sicher, doch jetzt wirkst du gar nicht mehr wie die Koldobike, die ich kenne. Aber gut, dafür hat Samuel Esparta jetzt eine schicke Sekretärin … Sag mal, findest du eigentlich, dass ich mich von solchen Details zu sehr ablenken lasse? Ich sollte mich doch eigentlich vor allem aufs Schreiben konzentrieren.«
    Als sie sich schwungvoll zu mir umdreht, merke ich, dass Koldobike unter ihren frisch gefärbten Haaren immer noch die Alte ist: Mit einem ironischen Glitzern in den Augen sieht sie mich an.
    »Wie ist es dir heute mit Eladio Altube ergangen? Bei Etxes Befragung gestern warst du noch so aufgeregt wie ein kleiner Junge am ersten Schultag.«
    »Oh, mein Roman hat ein weiteres starkes Kapitel dazubekommen«, versichere ich ihr eifrig. »Und das Beste daran ist: Es läuft wie geschmiert. Ich muss nicht einen einzigen Satz dazuerfinden, sondern bekomme alles wie auf einem silbernen Tablett serviert. Nachdem der Fall zehn Jahre langbegraben war, lebt er in Samuel Espartas Händen wieder auf. So als hätte er nur auf mich gewartet! Ich bin ein wahrer Glückspilz.«
    Koldobikes Augen blitzen wie ihre Haare.
    »Da soll noch einer sagen, dass du nicht verrückt geworden bist.«
    Natürlich schenke ich ihr diesbezüglich keinen Glauben – letztlich halten sich Verrückte selbst auch nie für verrückt.
    »Es waren also Falangisten?«
    »Von der übelsten Sorte.«
    »Woher wissen sie, dass ich …?«, setze ich an, verstumme aber gleich, da es mir wie Schuppen von den Augen fällt: Natürlich! Es waren die drei, die Eladio Altubes Eier abgeholt haben! Behutsam hebe ich die letzten Bücher auf, die vor meinem allerheiligsten Regal am Boden liegen.
    »Von dort oben können sie gut überblicken, wie viel Gewalt bei uns in Getxo herrscht«, murmele ich, während ich Hammetts ›Rote Ernte‹ zurückstelle. So viele Jahre spielen sich die Falangisten nun schon als Herren über Leben und Tod auf, als dass sie auf einmal Konkurrenz dulden könnten. Auch wenn das, was ich herauszufinden versuche, nicht das Geringste

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