Nur Ein Toter Mehr
sonst einem profitverheißenden Ort.
Aber Zeit ist Geld. Und Eladio und Leonardo gierten schon sehr früh nach Letzterem, bereits mit sechzehn, wie ich einmal habe läuten hören: Efrén Baskardo stellte sie damalsin seinem Bestattungsunternehmen an, warf sie aber wieder hinaus, nachdem er entdeckt hatte, dass sie ihn bestahlen. Damit begann ihre Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält: Ihre schon über ein Vierteljahrhundert andauernde Geschäftemacherei erlitt selbst durch Leonardos Ermordung keinen Einbruch – was einen Privatdetektiv natürlich fragen lässt: Wozu brauchen sie das ganze Geld? Wofür gibt Eladio es aus?
Mit einem zufriedenen Rülpser legt er jetzt den Löffel weg, worauf Bidane alles wieder in ihren Korb räumt und geht, nachdem sie mir einen Blick zugeworfen hat, der, wie eigentlich zu erwarten, weder von Antipathie noch dem genauen Gegenteil zeugt, sondern beunruhigt wirkt, so zumindest mein Eindruck. Das Ehepaar hat die ganze Zeit kein einziges Wort gewechselt.
»O Mann, ich muss los, und der Bursche ist noch immer nicht zurück«, knurrt Eladio Altube verärgert, während er den Schemel wieder in die Ecke schiebt. So wenig Zeit lässt er seinem Angestellten fürs Essen? Nun ja, sich selbst gesteht er ja auch nicht mehr zu.
»Wie wär’s, wenn du mir solange von dem zweiten Mordversuch erzählst? Danach belästige ich dich auch nicht länger.«
»Du belästigst mich nicht. Zudem wollte ich dich zum Tatort führen.«
»Zum Tatort?«
»Zum Strand.«
»Es passierte ebenfalls am Strand?«
»Nur mit noch mehr Schmackes.« Entschlossenen Schrittes geht er zur Tür. »Ich kann nicht länger warten. Komm, wir gehen.«
Draußen sieht er die Straße hoch und runter, doch von dem Burschen ist weit und breit nichts zu sehen, sodass erdie Tür abschließt und grummelnd losmarschiert, ich hinter ihm her. Ein paar Meter weiter kommt uns ein Mann entgegen. Altube bleibt stehen und blickt ihm nach. »Ausgerechnet jetzt muss der was wollen«, knurrt er, als der Mann an der verschlossenen Tür des Eisenwarenladens rüttelt, und rennt zurück. Zehn Minuten später steht er wieder neben mir.
»Er hat eine Schraube gebraucht«, rechtfertigt er sich, bevor wir schnellen Schrittes weitergehen.
Kurz darauf klingelt er an einer Tür im Abasota-Viertel.
»Ich … ich kann es dir heute noch nicht geben, erst in einer Woche«, stammelt die Frau, die ihm mit ängstlichem Blick geöffnet hat.
»Es ist doch jedes Mal dasselbe«, erwidert Eladio Altube wutentbrannt, »das macht dann eben zwei Peseten mehr. Und im Übrigen war das das letzte Mal, dass ich dir was geliehen habe. Ich werde mit deinem Mann reden.«
»Nein, bitte nicht!«, fleht sie ihn an. »In fünf Tagen zahle ich dir dein Geld zurück. Versprochen!«
»Keine Ahnung, warum sie sich Geld leihen, wenn sie es nachher nicht zurückzahlen können«, zetert Eladio Altube, kaum hat die Frau die Tür geschlossen.
»Eben darum.«
Er sieht mich scheel an und eilt dann schweigend weiter. Er ist also auch noch ein Wucherer und Halsabschneider. Ganz schön gerissen, diese Altubes. Danach klingelt er an drei weiteren Türen – bei zweien kann er abkassieren – und geht dann noch bei einem kleinen Schweinezuchtbetrieb vorbei, bevor wir endlich hinunter zum Strand steigen, wo er mich auffordert, mich in den Sand zu setzen, so als gehöre der Strand ihm, und vielleicht ist das ja auch so, vielleicht hat jemand, der hier seinen Zwillingsbruder verloren hat, mehr Anrecht als alle anderen.
»Mit Leonardo früher war alles viel einfacher«, erklärt er, als er sich neben mir niederlässt. Er klingt müde und deprimiert, so als hätte er meine Gedanken erraten. »Und das nicht nur, weil wir noch jung waren. Jede Arbeit ist anstrengend, aber mit ihm ging mir alles viel flotter von der Hand: weil er dabei Witze erzählt hat.«
»Er hat Witze erzählt?«, frage ich verwundert. »Wir hielten euch immer für bierernst! … Und warum seid ihr dann nie aufs Dorffest oder in Kneipen gegangen, wenn ihr so gern gelacht habt?«
»Die Leute haben uns Zwillinge nie verstanden«, erwidert Eladio Altube voller Gram und haut zornig mit der Faust auf den Sand. »Aber hätten wir uns deshalb anpassen sollen? Nein! Denn das Einzige, was uns wirklich Spaß gemacht hat, das waren unsere Geschäfte. Leonardo und ich waren immer auf neue profitversprechende Ideen aus, lachend ersannen wir die aberwitzigsten Geschäftsideen, und wir hatten viel Spaß dabei. Deshalb ist es ohne ihn
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