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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Altube? Müssen sie jetzt jegliche Hoffnung aufgeben, jemals zu erfahren, wer ihnen ihren Sohn genommen hat?! … Denen sollte Sam Esparta übrigens unbedingt noch einen Besuch abstatten.«
    Doch genau da liegt der Hund begraben: Dass ich die Verdächtigen für meinen Roman bei Nachbarn suche, die nach Jahren voller Schrecken nur noch in Ruhe und Frieden leben wollen.
    »Heute esse ich zu Hause zu Mittag«, brumme ich schlechtgelaunt und trete hinaus auf die Straße, begleitet vom Klingeln des Glöckchens.

9 Wir haben dich gewarnt
    Nachdem ich zu Hause in meine Jerseyhose, das grobe Hemd und den Pulli geschlüpft bin, hellt sich meine Miene wieder auf. Mit dem Ablegen von Hut und Anzug fühle ich mich nicht mehr länger wie in einem Albtraum gefangen, und Mutters hervorragender Saubohneneintopf macht mich sogar redselig. Kaum habe ich voller Heißhunger den letzten Löffel verschlungen, lobe ich ihn begeistert, was meine Mutter mit einem zufriedenen »Endlich bist du wieder normal. Lag wohl am Anzug« quittiert.
    Anstatt mich wie üblich auf mein Zimmer zurückzuziehen, sehe ich danach zu, wie sie ohne jede Hast Teller, Löffel und Kochtopf spült, und nachdem sie sich dann wieder zu mir an den Tisch gesetzt hat – meine Schwester isst heute bei einer Kundin zu Mittag –, lausche ich ergeben den neuesten Gerüchten, bis sie mit den Händen im Schoß einnickt. Lange betrachte ich ihre kleine Gestalt mit dem Gefühl, ihr etwas zu schulden, die zärtlichen Worte, die mir schließlich über die Lippen kommen, gelten dann allerdings nicht nur ihr: »Keine Sorge, Mama, ich habe mir keinen einzigen Fleck in den Anzug gemacht. Und fortan bleibt er im Schrank hängen, versprochen.«
    Doch erst als ich die Küchentür leise hinter mir ins Schlossziehe, gestehe ich mir ein, dass diese reale Szene sich meines ad acta gelegten Romans durchaus als würdig erwiesen hätte.
     
    Lange schon habe ich meine Buchhandlung nicht mehr so pünktlich um halb fünf aufgemacht. Während ich aufschließe, beglückwünsche ich mich im Stillen dazu, dass ich das Glas in der Tür nicht voreilig mit diesem lächerlichen »Samuel Esparta · Privatdetektiv« verschandelt habe, und auch das Glöckchen über meinem Kopf klingt für mich wieder wie verheißungsvolle Musik. Selbst die neben dem Eingang gestapelten Schulbücher stören mich an diesem Tag nicht mehr. Koldobike hat alles wunderbar aufgeräumt und jedes Buch wieder auf seinen angestammten Platz zurückgestellt. Die allermeisten zumindest, denn Zane Greys Cowboy-und Abenteuergeschichten stehen auf einmal im Regal für Geografie. Aber warum auch nicht?, denke ich mir, schließlich hat der amerikanische Autor in seinen Büchern die unendliche Weite seines geliebten Wilden Westens so minutiös beschrieben, dass ich bezweifele, dass irgendein Geograf das besser kann.
    Auf dem Weg nach hinten entdecke ich dann zwar noch die eine oder andere Unaufmerksamkeit, die wahrscheinlich auf den engen Rock zurückzuführen sind, doch in meinem allerheiligsten Regal, dem mit der Kriminalliteratur, herrscht wirklich tadellose Ordnung. Resolut falte ich den Wandschirm zusammen, räume ihn in die Ecke und setze mich an meinen Tisch, um mich wieder auf den Unternehmergeist zu besinnen, mit dem ich vor sechs Jahren die Buchhandlung aufgemacht habe, die aufgrund der wenigen Kunden selten aus den roten Zahlen kommt. Voller Eifer wende ich mich wieder den Projekten zu, die ich in den letzten Tagen in die untersten Schubladen meines Schreibtischsverbannt habe: die Idee, im Laden auch Schreibwaren zu verkaufen – ein schon lang gehegter Traum der pragmatischen Koldobike –, die Einrichtung einer Comic-Ecke, die Gestaltung von Plakaten für Novitäten, das Entwerfen von Losen, die die Kunden für ihren Einkauf bekommen und mit denen sie dann bei einer monatlichen Tombola ein gebundenes Buch gewinnen können …
    Um sechzehn Uhr zweiundvierzig erscheint Koldobike. Ohne dass ich ein Wort sagen muss, verkünden ihr die weggeräumte Stellwand und meine Kleidung meinen Sinneswandel.
    »Es ist aus und vorbei, stimmt’s?«
    »Ja. Ich habe gerade noch rechtzeitig erkannt, dass ich mir was vormache.«
    »Aber du warst glücklich über das, was du schon geschrieben hattest. Du bist wie auf Wolke sieben geschwebt.«
    »Schon, aber es wäre nicht der Roman geworden, den ich eigentlich schreiben will.«
    »Er wäre bestimmt gut geworden … Sag mal, hattest du überhaupt schon etwas niedergeschrieben?«
    »Dummerweise war er

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