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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Koldobike, »in diesem Zustand sollte sie ihn besser nicht sehen.«
    Koldobike hat sich nämlich überlegt, dass mich meine Mutter besser nicht zu Gesicht bekommt. Von ihr auf der einen und Elise auf der anderen Seite untergefasst, schleppe ich mich die Treppe hinauf, wo sich meine »mir treu ergebene Sekretärin« dann nicht nur ein, sondern gleich vier Mal von mir verabschiedet.
    Unterdessen ist Elise leise in unsere Wohnung geschlichen, und ein paar Sekunden später gehen alle Lichter aus, denn sie hat die Sicherungen rausgedreht. Während ich mich mit einem unterdrückten Stöhnen aus meiner Jacke schäle, höre ich sie in die Küche gehen und seufzen: »Ach herrje, schon wieder ein Stromausfall!«, worauf meine Mutter nur grummelt: »Das ist Hexenwerk.« Geklapper deutet darauf hin, dass die beiden die Schubladen nach Kerzen durchwühlen, sodass ich laut rufen kann, ich hätte schon zu Abend gegessen, und in meiner Schlafkammer verschwinde. Vollkommen erschöpft, aber erleichtert ziehe ich mir die Decke über den Kopf. Das Wichtigste ist erreicht: Mutter hat nichts gemerkt.
    Ein paar Stunden später wache ich auf, als jemand vorsichtig die Tür einen Spalt weit aufschiebt. Im Schein einer brennenden Kerze erkenne ich das Gesicht meiner Schwester. Ich bräuchte mich nur schlafend zu stellen, und sie würde wieder gehen.
    »Komm rein.«
    »Wie geht es dir?« Die Flamme beleuchtet mich offenbar nicht ausreichend. »Warte, ich mache Licht.«
    »Die Sicherung ist draußen.«
    »Ich habe sie wieder reingeschraubt.«
    »Lass es lieber dunkel.«
    »Was ist passiert? Koldobike hat mir nur erzählt, dass dir ein paar Falangisten eine Abreibung verpasst hätten.«
    »Stimmt. Und damit hat sich’s.«
    »Wirklich?« Ihr ist deutlich anzuhören, dass sie mir nicht glaubt. Aber sie bohrt nicht weiter nach. »Jedenfalls werde ich dich jetzt erst mal richtig verarzten.«
    Als sie das Licht einschaltet, sehe ich, dass sie bereits Verbandszeug, Wundsalbe und eine kleine Flasche Alkohol dabeihat.
    »Weißt du, dass du vier richtig schlimme Blutergüsse hast? Und dazu noch jede Menge kleinere blaue Flecken. Von den Schrammen im Gesicht und dem Veilchen ganz zu schweigen«, sagt sie, als sie fertig ist.
    An der Tür dreht sie sich noch einmal um.
    »Ich hätte Koldobike übrigens fast nicht erkannt. Was ist denn in die gefahren?«
    Glücklicherweise erwartet sie auch darauf keine Antwort. Sie löscht das Licht, doch im Rausgehen höre ich sie noch sagen: »Ihr beide seid mir schon ein seltsames Paar.«
     
    Hat es etwas zu bedeuten, dass sich die Falangisten eingemischt haben? Für mich auf jeden Fall: Jedes Mal, wenn ich in dieser Nacht an sie denke, spüre ich nicht nur meinen malträtierten Körper, sondern dass sich auch wieder etwas in meiner Schriftstellerseele rührt. Zwar habe ich noch immer keine heiße Spur, dennoch tut sich was: Ich erfahre immer mehr – weshalb der Mörder auch langsam nervös werden dürfte.
    Und genau dieses vage Gefühl lässt mich um sieben Uhr früh fertig angezogen in die Küche humpeln. Zu meinem Erstaunen steht Elise dort bereits am Herd. Als sie sich besorgt zu mir umdreht, grinse ich, so gut ich kann, was sie anscheinend ziemlich beruhigt, sodass ich noch ein »Mir geht’s schon viel besser!« hinterherschicke.
    Was vielleicht sogar stimmt. Am Spülbecken wasche ich mir die Hände und das Gesicht, während meine Schwester schweigend beobachtet, ob ich auch wirklich wieder alle Glieder bewegen kann.
    »Ich gehe besser, bevor Mutter aufwacht«, erkläre ich, als sie mir ein frisches Handtuch reicht.
    »Nicht, bevor ich dir die Verbände gewechselt habe und du gefrühstückt hast«, sagt sie ungerührt und schiebt mich zu meinem Stuhl.
    Widerspruchslos gehorche ich, und während ich eine große Tasse warme Milch trinke und einen Apfel esse, huscht Elise kurz hinaus.
    »Es regnet zwar, aber das wird dich sicher nicht abhalten«, sagt sie, als sie wieder reinkommt, und legt mir den Trenchcoat meines Onkels und einen Regenschirm auf den Schoß. Da kann ich nicht anders, als sie offen anzusehen und ihr zu gestehen:
    »Weißt du, Elise, ich schreibe wieder an einem neuen Roman.«
    Entdecke ich da etwa ein freudiges Aufleuchten in ihren Augen?
    »Ist die Sache mit den Falangisten wirklich erledigt?«
    »Sei unbesorgt«, erwidere ich lächelnd und stehe auf.
     
    Gelobt sei der Regen, der es mir erlaubt, mein Gesicht unter dem Schirm zu verstecken, sobald mir jemand entgegenkommt. Seltsam, mit dem

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