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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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Trenchcoat meines Onkels fühle ich mich erst recht wie Sam Esparta.
    Im Laden brennt Licht. Kurz bevor ich durch das Glas der Eingangstür blicke, werde ich auf einmal unsicher. Doch alles ist gut: Koldobike sucht gerade etwas in einem der Regale – im Stiftrock und nach wie vor mit platinblonden Haaren. In meinem Vorsatz bestärkt, öffne ich die Tür.
    »Guten Morgen.«
    »Gu…« Überrascht dreht sie sich um. »Was machst du schon hier? Die Welt wäre bestimmt nicht untergegangen, wenn du heute im Bett geblieben wärst.«
    »Doch, wäre sie, zumindest meine Romanwelt. Das gestern hat mich nämlich völlig aus dem Konzept gebracht. Ich tappe im Dunkeln. Ja ich weiß nicht mal, wen ich als Nächsten befragen soll.«
    »Das wusstest du vorher auch nicht.« Schulmeisterhaftschüttelt sie den Kopf. »Aber wie ich dir gestern schon sagte: Als Nächstes solltest du Roque Altube aufsuchen.«
    Verwirrt sehe ich sie an. »Den Vater der Brüder? Ein Vater bringt doch nicht seinen Sohn um.«
    »Die Zwillinge haben mit ihren Gaunereien den Namen der Familie befleckt. Und Altube ist noch ein Mann vom alten Schlag, charakterfest, rechtschaffen und auf die Familienehre bedacht.«
    »Du spinnst, das ist vollkommen absurd! Außerdem war er 1935 schon um die siebzig. Ein Mann in dem Alter ist nicht mehr in der körperlichen Verfassung, mitten in der Nacht hinterrücks zwei gestandene Kerle zu überfallen und sie an Apraiz’ Felsen zu ketten.«
    »Sei dir da mal nicht so sicher. Für sein Alter war der damals noch unheimlich rüstig. Zwei Jahre später kämpfte er noch bis zu unserer Niederlage an vorderster Front … Aber wahrscheinlich hast du recht. Er könnte dir bestimmt nicht viel erzählen, schließlich hat ihm die Polizei damals ja schon verhört …«
    Soll sich einer noch mit den Frauen auskennen. Erst rät sie mir, zu ihm zu gehen, und dann soll ich es bleiben lassen?
    »Ich kann einfach keinen klaren Gedanken fassen«, jammere ich deshalb noch ein wenig, »ich habe komplett den roten Faden verloren.«
    Koldobike macht einen Schritt auf mich zu und sieht sich mein Gesicht genau an.
    »Du wirst mir zwar sicher gleich sagen, dass es dir bestens geht, ich schicke aber wohl besser den Nachbarsjungen los, damit er deiner Mutter ausrichtet, sie soll herkommen und sich mal die Blessuren ihres Sohns ansehen, denn dafür will ich nicht verantwortlich sein … He, wo willst du hin?«
    »Mich wieder an die Arbeit machen«, rufe ich im Hinauseilen und fuchtele zum Abschied noch kurz mit dem Schirm.
    »Wusste ich’s doch«, höre ich nur noch, bevor die Tür hinter mir ins Schloss fällt und ich den Mantelkragen hochschlage.
     
    Dass es in den Bergen ab und an regnet, kann man verstehen, schließlich muss dort die Vegetation gegossen werden. Aber Regen am Strand? Das ist vollkommen widersinnig. Wenn man jemanden bei Regen den Strand entlanggehen sieht, kann man sich eigentlich sicher sein, dass er nicht mit dem Schauer gerechnet hat; umso absonderlicher ist der Anblick von einem mit Regenschirm und Mantel. Ansonsten ist keine Menschenseele zu sehen: Kein Einheimischer ist so verrückt, im Regen angeln oder gar baden zu gehen. Doch hier hat alles angefangen.
    Drei Wege führen herunter. Einer bei den Felsen des alten Hafens am anderen Ende des Strands, dort, wo die Küste steil abfällt; der zweite, etwa in der Mitte des Strands, ist eine Verlängerung der Straße, die, unterhalb der Ruine des alten Forts vorbei, von den höher gelegenen Ortsteilen runterkommt; und der dritte ist ebenfalls eine auslaufende Straße, die ein paar Schritte weiter schnurgerade auf Apraiz’ Felsen zuläuft. Letzteren bin ich heruntergekommen, denn den muss auch Lucio Etxe genommen haben, als er zu Zallas Schmiede lief … Fünfundzwanzig, sechsundzwan… Zähle ich etwa gerade meine Schritte? So was Albernes: Das habe ich zuletzt als Schuljunge gemacht, wenn wir im Sand ein Fußballfeld absteckten. Aber warum tue ich das jetzt? Sicher nicht aus Nostalgie; dahinter muss dieser Irre stecken – wie hieß er noch gleich? –, der nichts Besseres zu tun hat, als Getxo in Schritten zu vermessen. In Schritten, man stelle sich das mal vor! Nur einer aus Neguri kann seine Zeit mit so was Überspanntem verplempern … Trotzdem, wenn Antimo Zalla ein paar Schritte weniger gebraucht hätte,wäre er vielleicht rechtzeitig am Strand gewesen, um Leonardo … Getxo verfügt also demnächst über eine Landkarte in Schritt-Einheit, denke ich noch, während ich auf

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