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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramiro Pinilla
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untenlag? Hat sie dich nicht immer wieder an seine verzweifelten Hilfeschreie in jener Nacht erinnert, seinen Todeskampf an deiner Seite …?«
    Warum dreht sich der Schatten abrupt um und zieht sich zurück? Damit ich aufhöre, ihn an eine Unglücksnacht zu erinnern – an die er nicht erinnert werden möchte?
    Zwei Minuten später durchquere ich mit großen Schritten die Eisenwarenhandlung Richtung Tür. Ich brauche dringend frische Luft. Allerdings kommt mir jemand entgegen: Bidane. Bei meinem Anblick bleibt sie auf der Schwelle stehen, als hätte sie dort plötzlich Wurzeln geschlagen, und starrt mich fassungslos an. An ihrem Arm baumelt ein Korb.
    »Du kommst zu früh«, schimpft ihr Mann.
    »Es ist eins«, erwidert sie knapp – und geht dann, als wäre ich Luft, an mir vorbei zum Ladentisch, wo sie ihren Korb abstellt und danach auf den Schemel sinkt.
    Was stehe ich vor der Tür herum? Ich hätte Bidane grüßen sollen, habe aber kein Wort herausgebracht, ihr noch nicht einmal zugenickt; gut, sie hat mich auch nicht begrüßt, ja noch nicht einmal richtig angesehen, aber das kann einem schon mal passieren, wenn man sich unter dem Eindruck einer solchen Neuigkeit unerwartet gegenübersteht.
    Ich blicke in die Runde, sehe Bidane, deren Augen geistesabwesend über die Schildchen an den Schubkästen wandern, während sie darauf wartet, dass Eladio sein Mittagessen auspackt und es dann vor unseren Augen gierig verschlingt; sehe den Burschen, der mit seiner Trittleiter am Korb vorbeigeht und dabei sehnsüchtig den leckeren Geruch einsaugt; Ermo, wie er, eine Hand am verbundenen Kopf, das Licht im Flur löscht, nachdem er zuvor geräuschvoll die Tür zu seinem Schrottlager abgesperrt hat …
    »Ich habe noch nie so nah an der Wirklichkeit geschrieben«, höre ich das Blauhemd auf einmal neben mir, in derHand Heft und Stift. »Aber diesen ganzen Wirklichkeitsschwall zu erfassen, ist verdammt schwer, wenn nicht gar ein Ding der Unmöglichkeit. Worüber hast du vorhin mit Altube geredet? … Obwohl, lass, ich würde meinem Konkurrenten auch nichts verraten. Apropos: Was hältst du eigentlich von den Seiten, die ich dir zu lesen gegeben habe? … Nein, nein, du musst nicht antworten, ist nicht so wichtig. Aber weißt du was,
amigo
? Nie im Leben hätte ich gedacht, dass mir ein paar stinknormale Basken, denen ich nach dem Krieg so dicht auf die Pelle gerückt bin, dass ich ein paar davon sogar umgelegt habe,
so
viel Material für einen Roman liefern können! Das reicht, um mein Heft vollzuschreiben, und ich garantiere dir, am Ende wird kein Fitzelchen weißes Papier mehr zu sehen sein …«
     
    Die Zeit, die ich für die Strecke zurück zu meiner Buchhandlung brauche, reicht, um meine Theorie zu durchdenken. Es ist schon kurz nach halb zwei, sie ist immer noch offen, und Koldobike steht in der Tür und hält nach mir Ausschau.
    Eifrig will ich ihr von meinen neuesten Erkenntnissen erzählen, doch sie zieht mich am Ärmel resolut hinein und hängt dann von innen das »Geschlossen«-Schild an die Tür.
    »Ich war auf einen Sprung zu Hause und habe dir Linseneintopf mitgebracht«, erklärt sie. »Setz dich hin und iss, solange er noch warm ist.«
    »Es ereignen sich entscheidende Dinge, und da kommst du mir mit Linsen!«
    Ungerührt schiebt sie mich in mein Büro.
    »Wenn man rastlos wie ein Ball hierhin und dorthin springt, muss man ab und zu mal eine Verschnaufpause einlegen und etwas essen. Von mir aus verhänge ich auch dein allerheiligstes Regal, damit deine Idole es nicht sehen!«
    Auf meinem Tisch steht eine in zwei Geschirrtücher eingeschlagene Schüssel. Ich setze mich und greife zum Löffel.
    »Die Frau von Eladio Altube trägt ihm auch jeden Tag das Mittagessen nach.«
    »Iss jetzt und dann erzähl«, meint sie nur und zieht ihren Stuhl heran.
    Hm, es riecht wirklich lecker, nun merke ich erst, wie viel Hunger ich habe. Mechanisch löffele ich die Linsen in mich hinein, während ich ihr von meinem Besuch in der Eisenwarenhandlung erzähle.
    »Möglicherweise ist der Mörder von damals doch nicht der, der die Kette gestohlen hat«, schließe ich meinen Bericht. »Und weißt du, was ich dabei noch herausgefunden habe? Dieser Larrea wollte die Kette unbedingt für seine Sammlung und hat Joseba Ermo immer wieder besucht, um mit ihm einen Preis auszuhandeln.«
    »Der Mörder wird von ihrer Feilscherei erfahren haben und ist Luis Federico deshalb zuvorgekommen.«
    Nimmt sie diesen feinen Pinkel aus Neguri etwa in

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