Nur eine Liebe
Janan. Steh uns bei!« Oben auf der Treppe beugte Frase sich vor und übergab sich.
Ich würgte an dem bestialischen Gestank von Verfall und Erbrochenem und wich zu den Säulen und dem Flügel zurück, als könnten sie mich retten. Sam wurde grau im Gesicht und versuchte vergeblich, diesen Anblick vor mir zu verbergen, als hätte ich dies nicht schon in der erstickenden Stille des Tempels gesehen.
Schreie schwollen an, als Merton Meurics sterbenden Körper so positionierte, dass jeder ihn sehen konnte. Die Menge drängte zur Treppe und ließ Zelte und Stände unbewacht. Rufe der Empörung wurden laut.
Deborl sprach ins Mikrofon und deutete auf Meuric. »Das hat die Neuseele getan. Sie hat sich einen Schlüssel zum Tempel beschafft, zu unserem Tempel, und Meuric hineingelockt, wo sie ihn beinahe getötet hat. Um Janan zu verspotten, hat sie ihn dort gelassen, verletzt wie er war. Ich weiß, dass solche Auffassungen in Ungnade gefallen sind, aber Meuric wurde einst Janans Geweihter genannt. Und ihn dort in diesem Zustand zurückzulassen ist eine der größten Beleidigungen.«
Die Schreie wurden zu einem ohrenbetäubenden Lärm. Sam ergriff meine Hand und versuchte, mich zum Rathaus zu ziehen, aber ich war wie versteinert. Ich konnte den Blick nicht von Meuric abwenden und auch nicht von Deborl, denn er hatte recht . Ich hatte Meuric dort gelassen. Ich hatte ihn erstochen und in die Grube gestoßen, und dann hatte ich ihn verlassen. Und selbst als ich ihn im Tempel wiedergefunden hatte, hatte ich nichts unternommen.
»Ana!« Sam riss an meinem Arm, und ich stolperte gegen seine Brust. »Komm. Wir müssen gehen.«
Wohin? Aber ich folgte ihm und drehte mich noch einmal um, um zu sehen, wie Meuric auf der Bühne zusammenbrach. Sein Kopf baumelte herab, und als Deborl zürnte und die Menge wogte, erhaschte ich einen letzten Blick auf Meuric: die schwarze Fäulnis zwischen seinen Zähnen, als er mich angrinste, und das Brechen seines guten Auges, als er endlich starb.
Ich rannte mit Sam, nicht sicher, ob es einen sicheren Ort für mich gab, aber es war besser, als dies mit anzusehen.
Sam streckte die Hand nach einer der Glastüren aus, und als sie aufschwang, sah ich die Reflexion von Dutzenden von Menschen, die sich dicht hinter mir drängten.
Jemand packte mich an den Schultern und riss mich von Sam weg. Ich schrie und stieß den Ellbogen nach hinten. Knochen traf auf weiches Gewebe – einen Bauch? –, und ich wollte Sam nach, aber es kamen immer mehr Menschen.
Hände griffen von allen Seiten nach mir, packten mich am Arm, an den Schultern und am Haar. Sie fanden auch Sam, und ich verlor ihn sofort aus dem Blick.
Ich wehrte mich, doch die vielen Leiber bildeten eine Mauer um mich. Ich konnte nicht fliehen, als sie mich an einen Ort schubsten und zerrten, wo ich nichts sehen konnte. Über allem donnerte Deborls Stimme.
»Das ist es, was Neuseelen tun! Das ist es, was sie uns weiter antun werden: Sie werden uns töten, uns vernichten, uns ersetzen.«
Die Körper, die mich abschirmten, wichen zur Seite und zeigten mich dem Mob unten an der Treppe. Zelte waren umgerissen worden, Tische lagen auf der Seite. Menschen drängten die Treppe hinauf und wollten mich packen.
Ich schrie nach Sam, nach Sarit oder irgendeinem meiner Freunde. Wo waren Lidea und Geral mit ihren Neuseelen? Was würde mit ihnen geschehen?
Jemand trat mir von hinten in die Beine, und ich fiel hin. Knochen schlugen auf Stein, und es fühlte sich so an, als würden meine Knie zerschmettert werden, aber ich konnte die Zehen noch bewegen. Mir war schwindlig, und ich blinzelte.
»Meine Freunde«, rief Deborl, »wir können Neuseelen nicht akzeptieren! Sie werden uns zerstören. Die Neuseele wird für ihre Verbrechen bestraft werden.«
Jubel brach aus. Jemand protestierte dagegen, aber diese Stimme wurde schnell zum Schweigen gebracht.
Finger gruben sich mir in die Haut und hielten mich auf dem Boden fest, als Deborl herantrat. Er beugte sich über mich und flüsterte mir ins Ohr: »Du hast vielleicht geglaubt, du könntest Janan aufhalten. Das kannst du nicht. Nichts kann ihn aufhalten. Meuric ist gescheitert, aber Janan hat einen neuen Geweihten gewählt. Ich werde derjenige sein, der ihn willkommen heißt, wenn er sich in der Seelennacht erhebt.« Deborl packte mich am Kinn und riss meinen Kopf herum. Seine Augen wurden schmal. »Und du wirst dort sein, wo du hingehörst, eingesperrt, wo du hättest bleiben sollen, bevor du geboren
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