Nur eine Liebe
verbrannt, obwohl man ihr erzählt hatte, dass jede größere Sylphenverbrennung wachsen und das Opfer töten würde. Eine Lüge, wie wir alle wissen. Aber das hat sie nicht aufgehalten. Das war das Zweite, was ich über Ana gelernt habe: Sie ist selbstlos. Ana hat sich selbst beigebracht, wie man liest, wie man Musik auswendig lernt und wie man überlebt. Viele von euch hatten das Privileg, sie zu unterrichten, und haben gesehen, wie schnell sie neue Fähigkeiten erwirbt. In ihrer allerersten Nacht in Heart habe ich sie in meinem Salon gelassen, während ich aufgeräumt habe. Als ich zurückkam, saß sie an meinem Flügel« – seine Stimme brach –, »und sie hatte bereits herausgefunden, wie man Noten liest. Bald danach hat sie ihr eigenes Menuett komponiert. Das schöne Stück, das ihr heute gehört habt, ist erst ihre zweite Komposition.«
Mein Gesicht schmerzte vor Hitze, von den Blicken der Leute. Er sollte nicht mit mir angeben, sondern nur eine Diskussion anregen. Es war peinlich.
»Doch als sie in Heart ankam, war sie nicht willkommen. In ihrer Abwesenheit war ein Gesetz erlassen worden, um sie daran zu hindern, wie eine Erwachsene zu leben, obwohl sie ihr Quindec bereits drei Jahre überschritten hatte. Sie durfte nicht weiter als bis zur Wachstation gehen, bis sie Lektionen und Sperrstunden und Fortschrittsberichten zugestimmt hatte, als sei sie weniger als ein Mensch. Weniger als alle anderen, nur weil sie neu ist.«
Ich wollte einen großen Stein finden, unter dem ich mich verkriechen konnte. Wenn ein Gesicht vor lauter hochschießendem Blut glühen konnte, dann meins. Die Menschen sahen mich die ganze Zeit über an und murmelten vor sich hin.
»Während des Tempeldunkels«, fuhr Sam mit tieferer Stimme fort, »als Menehem ihr von seinen Absichten erzählte, hat Ana alles in ihrer Macht Stehende getan, um Seelen zu retten. Sie hat jeden vor dem Preis gewarnt, den man für den Tod während dieser Stunden zahlen muss. Sie hat mich gesucht, als ich kämpfte – und sie hat mich wieder gerettet, diesmal vor einem Drachen. Hat irgendeiner von euch mich jemals nicht sterben sehen, wenn ein Drache versucht hat, mich zu töten?«
Einige Leute kicherten nervös.
»Das ist es, was ihr verstehen sollt, wenn ich euch sage, dass wir Neuseelen brauchen. Sie müssen Privilegien und Rechte haben, genau wie wir anderen auch. Wir müssen ihre Talente und ihre Entwicklung fördern. Niemand wird leugnen, dass Bildung notwendig ist, aber Ana hat immer wieder bewiesen, dass man ihr vertrauen kann, und sie wird alles tun, um unsere Gemeinschaft zu beschützen. Es ist auch ihre Gemeinschaft.«
Gerade als Sam zum Ende kam, gellten Schreie durch die Menge. Männer in schwarzen Mänteln drängten sich zwischen den Zelten hindurch auf die Bühne zu und zerrten etwas hinter sich her.
Ich ging wieder zu Sam und dem Mikrofon, um besser sehen zu können. »Was ist los?« Meine Stimme war durch die Lautsprecher auf dem ganzen Platz zu hören, während die Schreie lauter wurden und die Leute den schwarz gewandeten Männern hastig aus dem Weg traten.
Einer von ihnen war Merton; seine große Gestalt war nicht zu verkennen, als er die Halbmondtreppe hinaufstürmte. Deborl eilte hinter ihm her, und zwischen ihnen …
Meuric.
Sein Erscheinen wurde von dem Gestank seiner fauligen Wunden angekündigt, die aufgebrochen und nässend waren wie zuvor.
Ich taumelte zurück. Sam fing mich auf, seine Arme fest um meine Taille.
»Ist das Meuric ?«, fragte er in einem ungläubigen Ton, und das Mikrofon trug es auf den ganzen Marktplatz. Menschen eilten wie kollidierende Wellen umher, viele weg von Meurics verfaulendem Körper und noch mehr darauf zu, weil sie das Grauen nicht sehen konnten; sie hatten nur Sams Worte gehört.
Meuric bewegte sich nicht aus eigener Kraft. Merton trug ihn, während Deborl so tat, als würde er ihm helfen. Andere Ratsmitglieder eilten herbei, obwohl ich nicht wusste, was sie vorhatten. Wollten sie ihm helfen? Wollten sie die Menschen zurückhalten?
»Wo ist ein Arzt?« Sam beugte sich zu dem Mikrofon vor. »Rin, wir brauchen dich auf der Treppe.«
»Spar dir die Mühe.« Deborl drängte sich an das Mikrofon. »Meuric wird sterben. Seine Knochen sind zerschmettert worden. Man hat ihm das Auge ausgestochen. Er hat monatelang gehungert.«
»Wie kommt es, dass er noch lebt?« Ratsherr Frase stolperte die Treppe herauf und starrte fassungslos auf Meurics widerliche Kleider und seinen schlaffen Körper. »O
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